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5 Fragen — 5 Antworten: Mit Sahra Wagenknecht

14. August 2015

Sarah Wagenknecht -wissensschule-interview

Dr. Sahra Wagenknecht (1969 in Jena geboren)  ist Volkswirtin, Publizistin und seit 2011 erste stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion. wissensschule tauschte sich mit ihr über die Krisenherde auf der Welt, die aktuelle Flüchtlingssituation sowie eine sexy Politik für junge Menschen aus.

 

Syrien, Irak, Ukraine, Nigeria - täglich hören und lesen wir von Gewaltausbrüchen, Terror, Folter, Flucht und Vertreibung. Wie nahe gehen Ihnen solche Ereignisse und fühlen Sie sich da nicht ziemlich ohnmächtig?

Ich finde es entsetzlich, was passiert. Die Krisenherde sind nicht vom Himmel gefallen, sondern Resultat einer verfehlten Politik. Die USA haben mit ihren Verbündeten den Mittleren Osten in ein Trümmerfeld verwandelt und mit ihrer Politik des Regime Change, also dem Versuch, Regierungen zu beseitigen, die ihnen nicht passen, aktiv dafür gesorgt, dass sich Terrorgruppierungen wie der IS erst ausbreiten und die Schlagkraft entwickeln konnten, die sie jetzt haben. Es ist ein Trauerspiel, dass die Bundesregierung dieser Politik nichts entgegensetzt, sondern beispielsweise weiterhin beste Rüstungsgeschäfte mit den Golfstaaten macht, aus denen der Terror finanziert wird oder aktuell gegenüber der Türkei eine windelweiche Position bezieht, obwohl diese ihren angeblichen Kampf gegen den IS-Terror nur als Vorwand nimmt, um brutal gegen die Kurden vorzugehen. Auch im Ukraine-Konflikt spielt die Bundesregierung eine üble Rolle und stützt die Eskalationspolitik von USA und NATO.

Ein Gefühl der Ohnmacht kann man sich angesichts der brisanten Weltlage nicht erlauben. Wir müssen diese Politik ändern.

Viele Menschen sehen die schrecklichen Katastrophen, die sich im Mittelmeer abspielen und denken sich "Wann greift Politik hier endlich ein?". Dann werden Maßnahmen ergriffen, die zu kurz greifen und reinen Aktionismus darstellen. Lässt sich die Flüchtlingsproblematik politisch überhaupt lösen und wie könnte Sie aus Ihrer Sicht aussehen?

Dass es soviele Flüchtlinge gibt, liegt daran, dass sie zur Flucht gezwungen worden sind – und zwar durch eine Politik, die aus geostrategischen oder wirtschaftlichen Interessen Kriege führt, Terror sät, Ressourcen ausplündert und die Lebensgrundlagen der Menschen zerstört. Wer bombardiert oder verfolgt wird, wem das Lebensnotwendigste fehlt, wer Hunger leidet und keine Perspektiven für sich und seine Kinder hat, dem bleibt nichts anderes als die Flucht. Es ist zynisch, wenn wir unsere Grenzen verschließen vor dem, was unsere Politik angerichtet hat. Das Problem sind nicht die Flüchtlinge, sondern die Politik, die Menschen zu Flüchtlingen werden lässt.

Bodo Ramelow wurde im Dezember 2014 als bundesweit erster linker Ministerpräsident in Thüringen gewählt. Wie haben Sie den Hype um seine Person gesehen und wo wird er dem Freistaat Thüringen durch seine Politik  den Stempel aufdrücken?

Ich habe mich sehr gefreut, dass es erstmalig einen linken Ministerpräsidenten in einem Bundesland gibt. Die künstliche Aufregung, die im Zusammenhang mit der Wahl gemacht wurde, hat sich seit Bodo Ramelows Amtsantritt weitgehend in Luft aufgelöst – der Untergang des Abendlandes, der gerade von konservativer Seite für den Fall der Wahl eines linken Ministerpräsidenten prognostiziert wurde, ist ausgeblieben. Im Gegenteil: Ich bin sicher, dass Bodo Ramelow mit seiner Regierung unter Beweis stellt, dass es möglich ist, ein Bundesland sozial zu regieren. Auch beim menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und beim Kampf gegen alte und neue Nazis hat die Thüringer Landesregierung bereits wichtige Akzente gesetzt. Die positiven Zustimmungsraten zur Amtsführung von Bodo Ramelow sprechen eine deutliche Sprache. 

Wann und wodurch haben Sie für sich erkannt in der Politik etwas verändern zu wollen und wer hat Sie dazu eventuell inspiriert?

Ich bin in die Politik gegangen, weil ich es nicht hinnehmen möchte, dass ein neoliberales Gesellschaftssystem als alternativlos gilt. Der Kapitalismus kann nicht das Ende der Geschichte sein. Ich möchte keine Gesellschaft, in der rücksichtslos Profitinteressen durchgesetzt werden und immenser Reichtum auf der einen und bitterste Armut auf der anderen Seite als Normalität gelten, sondern eine Gesellschaft, die allen Menschen ein gutes und selbstbestimmtes Leben in Frieden und Wohlstand ermöglicht, Reichtum begrenzt und Umverteilung von oben nach unten festschreibt. 

Sich in der Politik, in der Partei zu engagieren ist für die heutige junge Generation nicht gerade besonders sexy. Auch hier fehlen ein Stück weit  Vorbilder und Idole, an denen man sich orientieren kann. Warum sollten sich junge Menschen hier engagieren? Drei schlagkräftige Argumente von einer schlagkräftigen Politikerin ...

Erstens, weil die momentane Politik nicht so toll ist, dass man sie anderen überlassen kann. Es stimmt schon bei den Eltern nicht, dass sie immer am besten wissen, was für einen gut ist. Wie dann erst bei Politikern?! Zweitens weil es nur gemeinsam mit anderen gelingen wird, die eigene Situation zu verbessern – zum Beispiel was niedrige Löhne, befristete Stellen, Dauerpraktika und weitere Zumutungen betrifft. Und drittens, weil Politik nur so sexy sein kann wie die Leute, die sie machen. Es hilft also nichts - man muss einfach selbst ran!


Foto: @DIG/Trialon, Berlin

Veröffentlicht am 14.08.15

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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