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Digitalisierung in Schulen: Hypes sind kontraproduktiv

18. Mai 2016

andreas-HofmannUm es vorweg zu nehmen, ich fordere die Priorisierung des digitalen Lehrens und Lernens jetzt und hier, bin überzeugt davon, dass digitales Arbeiten den Mehrwert (mein Unwort der letzten Jahre) bietet, den die meisten suchen und bin in meiner Funktion als Medienberater weder frustriert noch desillusioniert. Nein, ich brenne für das Thema.

Ich sehe jedoch momentan eine Entwicklung, die mir zunehmend Sorgen bereitet, und zwar die Verbreiterung des analog- digitalen Grabens, der sich durch die zunehmende Digitalisierung auf der einen Seite und die damit verbundenen Ängste und Sorgen auf der anderen mehr und mehr zu durchziehen scheint. Eine Entwicklung, die ich seit ein, zwei Jahren als stark zunehmend wahrnehme. Vor fast 5 Jahren startete auch meine Schule durch meine Initiative mit Superlativen, „erste iPad- Schule Niedersachsens/ der Region/ bundesweit (was nicht stimmte)“ – „Mobiles Lernen auf hohem Niveau“ wurde da propagiert. Es ging tatsächlich ein Ruck durch die Schule, viele Kollegen waren begeistert, die Idee fand Anklang und die neue Geräteklasse öffnete Türen und Neugier. So far so good. Was sich aber auf der anderen Seite auch aufbaute, waren die Zweifler, die durch die zunehmende Popularität der Idee schnell zu Gegnern und Verweigerern wurden. Die Angst, man könne nicht mithalten, die Schüler seien fitter oder auch die Angst vor einer enormen Mehrarbeit taten ihr Übriges. Geäußert werden diese Ängste meistens selten, sondern sie treten durch Vermeidungsargumente wie der Strahlenbelastung des WLAN, der Angst vor dem Verkümmern der Handschrift oder dem hohen Ablenkungspotential an die Oberfläche (ich empfehle hier das Lesen des eBooks von Beat Döbeli Honegger, der eine schöne Liste dieser Argumente aufführt: LINK). Nach fast 20 Elternabenden an verschiedenen Schulen kenne ich sie alle und habe auf alle eine Antwort, manchmal keine Lösung, aber eine Antwort. Und ich denke, ich kann viel Wind aus den Segeln nehmen, was nicht zuletzt dadurch kommt, dass ich seit 7 Jahren in 1:1 Klassen arbeite. Was aber passiert mit diesen Kollegen, die Ihre Ängste nicht äußern mögen?

Reaktion Nummer 1 der Digital-Fraktion ist das Belächeln. Eine Reaktion, die leider mir auch hin und wieder rausrutscht, muss ich gestehen. Tatsächlich sind die Argumentationsketten aber auch manchmal urkomisch. ?

Man nimmt allerdings die Sorgen und Ängste der Kollegen allzu oft nicht ernst und das ist fatal. Eine Idee, ein Projekt, Schulentwicklung brauchen eine breite Akzeptanz, um sich irgendwann nachhaltig durchzusetzen. Und genau darum geht es, um den Schulalltag, nicht um Leuchttürme, zeitlich gebundene Projekte und Hypes! Digitales Arbeiten muss normal sein, einfach Teil unseres Arbeitens. Wie das Buch dazu gehört, wie die Tafel nicht mehr angezweifelt wird  (naja, sieht man von den IWB- Hardlinern ab, die bereits vor zehn Jahren den Untergang der grünen Tafel propagierten).

Wie aber können Tablets, Notebooks, Raspberry Pis oder was auch immer Normalität werden, wenn selbst die, die sie wie selbstverständlich nutzen, einen Hype daraus machen? Worthülsen wie „das papierlose Abitur“, „modernste Schule Deutschlands“, „Deutschlands erstes irgendwas…“ uvm. gehen durch die Presse und sozialen Netzwerke. Lächelnde Kinder mit Tablets in der Hand, die vor lauter plötzlicher Begeisterung für die Schule kaum aufhören, lernen zu wollen. Ehrlich jetzt? Sind wir nicht weiter als das? Ich gebe es zu, vor 5 Jahren entstanden auch solche Fotos von mir/ uns und es schien okay. Was die Presse dann aus den Bildern und Artikeln machte, war es manchmal nicht, aber es ist auch 5 Jahre her. Ich ertrage diese Bilder nicht mehr, denn sie sind mittlerweile kontraproduktiv.

Hypes sind kontraproduktiv.

Kollegen, die skeptisch oder verweigernd sind, werden sicherlich nicht durch diese Vorgehensweise überzeugt. Nein, es bauen sich weitere Fronten auf und ich kann es zum Teil verstehen. Bei mir bauen sich diese Fronten auch auf, wenn ich Superlativen lese und man von einer Bildungsrevolution in die nächste stolpert.

Liebe Leute, entspannt euch mal. Digitales Arbeiten wird nur langsam durchsetzbar sein, ob es uns schmeckt oder nicht. Es wird nur durchsetzbar sein, wenn es mehr „Top- down“ Initiativen der Länder gibt und nicht nur die engagierten Lehrer. Es wird nur durchsetzbar sein, wenn die Lehrerausbildung sich verändert, wenn Gelder fließen und die Thematik ernsthaft politisch priorisiert wird. Es wird NICHT durch vermeintliche Leuchttürme und iPad- oder Microsoft- Schulen erreicht, die irgendwelche nicht übertragbaren Insellösungen propagieren und bei denen man den Eindruck gewinnt, Technik diene als Selbstzweck oder zur Vermarktung.  Es wird nicht erreicht, in dem unsicheren Kollegen das Gefühl vermittelt wird, es ginge nur digital. Es wird nicht erreicht, in dem man sich darüber lustig macht, wenn Kollegen Holzbücher einem Tablet vorziehen und es wird schon gar nicht erreicht, wenn man „analoge“ Kollegen ins Abseits drängt. Ich habe in dem Zusammenhang schon mehrfach mit Schulleitern gesprochen, die mir allen Ernstes weis machen wollten, dass sie nur Kollegen einstellen, die Kenntnisse am Tablet mitbrächten, ohne diese „bräuchte man sich gar nicht vorstellen“. Da bleibt nur Sprachlosigkeit!

Digitales Arbeiten in Schulen ist nur erfolgreich durchzusetzen, wenn eine gelungene Mischung aus analog und digital angestrebt und gelebt wird. Weder analog ist die Lösung, noch digital. Die Fähigkeit, als Lehrer und Schüler zu entscheiden, welche der beiden Wege in welcher Situation zum Erfolg führen, darum geht es doch, oder?


Der Autor, Andreas Hofmann, ist Medien-Coach für Pädagogen und bloggt zum Thema iPad-Klassen und Digitalisierung an Schulen.

 

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Veröffentlicht am 18.05.16

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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