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5 Fragen — 5 Antworten Mit Fränzi Kühne

31. August 2017
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Fotos: Linda Rosa Saal

Fränzi Kühne (1983 in Berlin geboren) ist eine deutsche Geschäftsführerin und Mitgründerin der Digitalagentur TLGG. Seit kurzem ist sie darüber hinaus die jüngste Aufsichtsrätin Deutschlands bei einem börsennotierten Konzern, der freenet AG.

Die Frage, was man nach dem Abitur vorhat, nervt nicht nur die Abschlussklassen. Mit der Antwort „Irgendetwas mit …....“ zählen einige Schüler schon zu den Entschlossenen. Direkt ins Studium, eine Ausbildung machen oder  im Ausland erste Erfahrungen sammeln? Den eigenen Interessen folgen oder einen sicheren Weg gehen? Wozu raten Sie jungen Menschen?

Es ist immer gut, den eigenen Interessen zu folgen, zumal es zunehmend schwerer wird, einenwirklich sicheren Weg zu finden. Um aber die eigenen Interessen noch einmal zu prüfen und vielleicht auch neu zu entdecken, rate ich dazu, viele praktische Erfahrungen zu machen und Möglichkeiten wahrzunehmen. Egal, in welchem Umfeld. Reisen, Praktika, Minijobs, sogarFerienjobs noch zu Schulzeiten bringen Erfahrungen, Kontakte und Einblicke in neueLebensmodelle und Vielfalt.

Durch den Tweet der damals 17-jährigen Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen  mit behandelt werden sollten, wird die Diskussion um die Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema, bereitet Schule zu wenig auf das Leben vor?

Das ist eine schwierige Frage mit viel Einerseits-Andererseits. Tatsächlich wird nicht viel praktisches Wissen für das eigenständige Leben entwickelt. Gerade bei den erwähnten Themen ist man aber doch vor allem auf die spezifischen Erfahrungen und das Wissen anderer Leute – Familie, Freunde, Bekannte – angewiesen, nicht auf einen übergreifenden Lehrplan.Was Schule ja idealerweise vermitteln sollte, sind Problemlösungskompetenz, Lösungsorientierung und Methodik – das geht ja auch anhand einer Gedichtanalyse. Hier eher wegzukommen vom reinen Abfragewissen, das fände ich wichtiger als eine ElSter-Lern-AG.

Nichts wird zur Zeit so kontrovers diskutiert an und in unseren Schulen wie das Thema "Digitales Lernen". Deutsche Schulen laufen in Puncto Digitalisierung wieder einmal einer Entwicklung hinterher. Was rät hier die Digitalexpertin, ist unser Bildungssystem noch zu retten und wenn ja, mit welchen Maßnahmen?

Das Bildungssystem ist sehr träge, sehr kompliziert. Und viele Entscheider beharren darauf, dass digitale Mittel dort keinen Platz haben. Das könnte also noch eine Weile dauern. Umso schöner ist es, dass es viele kleine Ansätze gibt, von Eltern und einzelnen Klassen, aber auch von Initiativen wie dem Calliope-Projekt. Diese Ansätze „von unten“ anzuerkennen und zu fördern und zugleich von oben Impulse zu setzen, das wird eher funktionieren als ein großes, bundesweites Ganz-oder-gar-nicht-Unterfangen. Schulen und Behörden müssen Medienkompetenz bei allen Beteiligten fördern, Ängste der Pädagogen und Eltern abbauen und vor allem erkennen, dass es nicht gleich um DAS BILDUNGSSYSTEM insgesamt gehen muss, sondern um eine Vielfalt von Standpunkten, Personen, Gestaltern, Nutzern, Skeptikern.

Als Bundesbildungsministerin Johanna Wanka im Oktober 2016 ihren "Digital Pakt #D"präsentierte und deutschen Schulen 5 Milliarden Euro für die Digitalisierung in Aussicht stellte, war die Euphorie groß ebenso wie die Beliebtheit der Ministerin. Mittlerweile sieht es so aus, als habe die Ministerin ein Versprechen abgegeben, dass sie nicht halten kann. Hat die Politik hier mal wieder aus wahltaktischen Gründen den Mund zu voll genommen und brauchen wir auf der anderen Seite ein Bündnis von Unternehmensvertretern?

Jede Schule braucht einen Breitbandanschluss, eine moderne IT-Ausrüstung und mindestens eine fähige IT-Kraft. Wenn ein Unternehmensbündnis das besser zur Verfügung stellen kann alsBund und Länder, dann nur zu. Geld und Wille sind besser als kein Geld oder kein Wille. Andererseits ist die Digitalisierung der Bildung ja nicht nur ein Tablet für jeden, sondern beginnt weit früher. Der Ausbau des Netzes zum Beispiel ist ja nicht Bildungsministerinnensache. Auch hier gilt: Wenn Unternehmen die Investition wagen wollen, nur zu. Natürlich stellt sich die Frage der erwarteten Gegenleistung. Natürlich ist die Schule heute schon längst mehr nicht frei von Werbung und Markenkommunikation, aber gerade im BereichDigitaltechnik und Datenverarbeitung sehe ich die strukturelle Einbindung von Unternehmen nicht ohne Kritik.

Der Dieselskandal der großen deutschen Autobauer hat einen nachhaltigen Schaden nicht nur in der hochgelobten deutschen Automobilbranche hinterlassen. Das Gütezeichen "Made in Germany" verkommt mehr zum Nimbus "Manipulated in Germany". Zwei Fragen dazu: Wie geht Ihre Generation mit solchen Skandalen um? Und was taugen dann noch Kontrollgremien, wie Aufsichtsräte, wenn sie nicht mehr agieren sondern nur noch reagieren können?

So wie die Generation zuvor in ständiger Sorge vor der „Abzocke“ lebte, so sieht sich meine Generation eher resigniert bestätigt. Jeder hat halt irgendwas zu verbergen, auch und gerade die übergeordneten Organe und großen Player. Umso wichtiger wäre es, regelmäßig auch echteKonsequenzen sichtbar zu machen. Ein Softwareupdate ist keine echte Konsequenz. Für einen Aufsichtsrat stellt sich die Frage, wie genau er die Unternehmen denn kennt und wie er sie so kennenlernen kann, dass Entscheidungen wirklich informiert getroffen werden können. Es hängt an der eigenen Person, den Posten als Auftrag zu verstehen und nicht als Belohnung. Für mich kann ich das auf jeden Fall sagen.

Veröffentlicht am 31.08.17

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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