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5 Fragen – 5 Antworten "Schule_digital" mit Myrle Dziak-Mahler

26. Juni 2019

In unserer Rubrik “SCHULE_DIGITAL” wollen wir Wissensvermittler zu unterschiedlichen Themen im Bereich „Digitale Bildung“  zu Wort kommen lassen und um ihre Meinung fragen. Im Laufe des Jahres möchten wir ein kontinuierlich wachsendes Angebot an redaktionellen Beiträgen zum Thema „Digitales Lernen“ bzw. wie „Wie Digitalisierung den Unterricht verändert“ schaffen.

Alle reden zurzeit davon, dass Schule digitaler werden muss. Was heißt das denn nun?

Sicher weit mehr, als dass Schülerinnen und Schüler mit Technik umgehen können. Wir müssen uns darüber verständigen, was sie am Ende ihrer Schulzeit können müssen, um in einer digitalen Gesellschaft zurechtzukommen. Das fehlt oft. Die Debatte wird auf den Einsatz von digitaler Technik verkürzt. Dabei verändert sich die Gesellschaft zur Zeit sehr schnell, neue Jobs entstehen, die wir noch gar nicht richtig erfassen und von denen wir auch nicht wissen, welche Fähigkeiten man für sie braucht. Andere Jobs werden wegfallen. Neben der Arbeitswelt wird sich auch die Gesellschaft als Ganzes verändern. Darauf müssen junge Menschen vorbereitet werden. Bevor wir uns also damit beschäftigen, welche Techniken Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht einsetzen sollen, müssen wir uns darauf verständigen, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schülerhaben müssen, um in dieser Welt zu bestehen.

Was wäre das zum Beispiel?

Wir beklagen oft, dass die wirtschaftliche Grundbildung in der Schule nicht ausreicht. Dazu gehört, dass ich weiß, wie ich ein Girokonto eröffne, aber auch, wie ich mit Mobile Banking umgehe. Die entsprechenden Tools zu benutzen ist vergleichsweise einfach. Aber ich benötige auch eine kritische Kompetenz, die mit hilft zu erfassen, was ich da überhaupt tue. Via Mobile-Banking-Apps kann ich heute in drei Sekunden überweisen. Ich sollte aber wissen, was dabei mit meinen Daten passiert und ob ich das eigentlich will. Heißt, um die Prozesse zu hinterfragen, brauche ich Hintergrundwissen. Darum geht es, wenn ich mich im Unterricht mit Digitalisierung befasse. Ich muss dafür nicht notwendigerweise ein Tablet oder Smartphone einsetzen.

Geht die Diskussion darum, welche Techniken in Schule eingesetzt werden sollen, dann nicht schon einen Schritt zu weit?

Im Gegenteil, sie ist viel zu kurz gegriffen. Wir sprechen immer über das Medium aber nie darüber, wie Schule grundsätzlich auf die digitale Gesellschaft vorbereiten soll. Und was das mit der Lehrerrolle macht. Wenn überall im Netz Wissen zur Verfügung steht, kann es nicht mehr nur Aufgabe von Lehrerinnen und Lehrern sein, Wissen an Schüler zu vermitteln. Vielmehr wird sich ihre Rolle dahingehend verändern, die Schüler durch den Dschungel der Wissensquellen zu navigieren, also ihnen beizubringen, wie sie bewerten, ob eine Quelle seriös ist. Lehrerinnen und Lehrer sind also nicht mehr diejenigen, die vorne stehen und den Schülern ihren Wissensvorsprung weitergeben – so wie es heute in den Schulen der Fall ist. Lehrer müssen zu kritischen Begleitern von Aneignungsprozessen werden. In all den Diskussionen darf man nicht vergessen, dass die Schülerinnen und Schüler lange nicht so unkritisch mit neuen Medien umgehen, wie ältere Generationen meinen. Das hat erst neulich die Bitkom-Studie zu Kindern und Jugendlichen in der digitalen Welt gezeigt. Die Angst von Eltern und Lehrern ist unberechtigt. Was junge Menschen aber benötigen, ist ausreichend Hintergrundwissen, um Quellen einschätzen zu können. Dazu gehört auch das Wissen über Funktionsmechanismen im Internet, denkt man etwa an den Google-Algorithmus.

Also zu verstehen, warum bestimmte Einträge in der Suche oben stehen...

Die Gesellschaft diskutiert über solche Fragen, aber Schule stellt sich dem nicht. Ich antworte Lehrerinnen und Lehrern, die mich nach dem Einsatz digitaler Medien fragen, oft: ‚Haben wir denn nicht eigentlich ein ganz anderes Thema?‘ Man fängt an, sich darüber auseinanderzusetzen. Was will ich, was heißt das für das Kollegium, für die Schüler, für die Eltern? Auf einmal wird die Frage, ob ich ein Smartphone einsetzen soll, viel kleiner. Das kann für Lehrer auch eine Erleichterung sein. Es kommt ja nicht selten vor, dass Schüler sich mit Tablets besser auskennen. Akzeptiert man, dass der Lehrer oder die Lehrerin nicht notwendigerweise mehr Wissen haben muss, kann man den Unterricht im Sinne eines Inverted Classrooms gestalten. „Inverted Classroom“ meint, dass Schülerinnen und Schüler sich Wissen nicht im Klassenraum sondern außerhalb der Schule aneignen und man im Unterricht über das Thema spricht. Aufgabe der Lehrer ist dabei, Schülern einen kritisch-konstruktiven Blick auf das erworbene Wissen zu vermitteln.

Gibt es übergeordnete Regelungen, wie Lehrer mit dem Thema Digitalisierung umgehen sollen? 

In Nordrhein-Westfalen gibt es den Medienkompetenzrahmen NRW, mit dem die Landesregierung an bundesweite Bildungsstandards anknüpft. Er soll Lehrerinnen und Lehrern bei der Vermittlung von Medienthemen helfen. Dafür wurden 36 Felder definiert, die beschreiben, was Schülerinnen und Schüler können sollen. Wenn ich darüber mit Kollegen aus Schule oder der Lehramtsausbildung spreche, höre ich oft Bedenken, wie man das umsetzen soll. Ich persönlich denke, ein Top-Down-Vorgehen mit vielen kleinteiligen Vorgaben macht keinen Sinn. In der heutigen Welt funktioniert das nicht mehr. Vorgaben müssen wie breite Straßen funktionieren, nicht wie eine Landkarte mit vielen kleinen Wegen, denen man präzise folgen muss. Dafür würden wenige generelle Vorgaben genügen. Wie eine Schule das im Detail umsetzt, muss sie selbst entscheiden können. Denn jede Schule weiß selbst am besten, was für ihre Schülerklientel, den Stadtteil oder die Eltern am besten funktioniert. Im Moment ist der Druck auf die Schulen groß, das Thema Digitalisierung in jedem Unterrichtsfach zu bringen. Wir brauchen aber individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, um Schulen zu entlasten.

Interview: Merle Hettesheimer


Foto: Viktoriya Lebedynska

Über Myrle Dziak-Mahler | Myrle Dziak-Mahler leitet das 2011 gegründete Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln (http://zfl.uni-koeln.de/), das bundesweit größte Zentrum seiner Art. Über zehn Jahre war sie als Lehrerin in unterschiedlichen Kontexten unterwegs, bevor sie 2004 an die Universität in die Lehrerbildung wechselte. Myrle Dziak-Mahler ist zertifizierter Business und Systemischer Coach und SCRUM MASTER;  sie hat in St. Gallen Managementtheorie gelernt und ist ausgebildete (Großgruppen-) Moderatorin. Neben ihrer Tätigkeit an der Uni ist sie als Rednerin, Coach, Beraterin und Moderatorin tätig. Schwerpunkte ihres Interesses sind die zukunftsfähige Transformation des Bildungssystems, das Thema (Female) Leadership und New Work sowie digitale Lernwelten.

Aktuelle Videos und Audios unter: https://dziak-mahler.com/audios-videos/

Veröffentlicht am 26.06.19

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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