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Digitale Bildung in Schulen - Im Interview mit Herrn Dr. Ekkehard Winter, Deutsche Telekom Stiftung

10. November 2017

Digitale Bildung in Schulen ist derzeit eins der am meisten brennenden Themen an und in Schulen und wird von Befürwortern und Kritikern heiß diskutiert. wissensschule tauschte sich dazu mit Herrn Dr. Ekkehard Winter aus. Herr Dr. Winter ist seit 2005 Geschäftsführer der Deutschen Telekom Stiftung und darüber hinaus Mitglied verschiedener Gremien im Bildungs-, Wissenschafts- und Stiftungsbereich.

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Nichts wird zur Zeit so kontrovers diskutiert an und in unseren Schulen wie das Thema "Digitales Lernen". Deutsche Schulen laufen in Puncto Digitalisierung wieder einmal einer Entwicklung hinterher. Während in anderen Ländern Programmierung bereits in der Grundschule gelehrt wird, ergehen wir uns im schulischen Bereich z.T. noch in Grundsatzdiskussionen. Ist das ein typisch deutsches Phänomen, neue sich anbahnende Entwicklungen erst einmal auszusitzen?

Es gibt sicherlich mehrere Gründe dafür, dass sich die deutsche Bildungspolitik so vergleichsweise spät mit den Auswirkungen und Herausforderungen der Digitalisierung für die Bildung befasst hat. Zum Beispiel war sie nach dem PISA-Schock überaus lange mit der Frage beschäftigt, wie Deutschland aus den schlechten Ergebnissen herauskommen kann. Während in anderen Ländern die Chancen der Digitalisierung für bessere Bildung sehr früh erkannt wurden, schraubten die Deutschen noch an ganz anderen Stellen im bestehenden System.

Und dann hat die späte Reaktion natürlich auch noch einen strukturellen Grund: Die deutsche Bildungspolitik gibt es ja gar nicht, weil die Bildungshoheit bei den Ländern liegt. Man kann das positiv sehen: Im deutschen Bildungssystem lässt sich nichts von heute auf morgen zentralistisch verordnen – also auch nichts, was sich später womöglich als falsch erweist. Andererseits ist das föderalistische Nebeneinanderher alles andere als ein Katalysator für Entwicklungen – das gilt auch für die Digitalisierung in der Bildung.

Umso optimistischer stimmt mich deshalb der nun breite politische Wille, das Thema anzupacken. Da ist nun zum einen die Strategie der Kultusministerkonferenz, zum anderen der Digitalpakt Schule auf Vorschlag des Bundes. Beide setzen wichtige Akzente, vor allem indem sie den pädagogischen Nutzen als Richtschnur für den Einsatz digitaler Werkzeuge im Unterricht betonen und die Lehrerbildung als zentrale Stellschraube benennen. Und in dem nun aus den Sondierungsgesprächen der möglichen Regierungskoalition heraus angekündigten finanziellen Mehr für die Bildung stecken hoffentlich auch die fünf Milliarden, die der Digitalpakt zur technischen Ausstattung aller Schulen verspricht.

Digitale Bildung und die Vermittlung von Medienkompetenz kann nur gelingen, wenn es dafür ausreichend digital kompetente Lehrkräfte gibt. Wo sollte hier der Hebel angesetzt werden?

Da muss auf allen Ebenen des Lehrerwerdens und -seins noch einiges passieren.

Eine große Mehrheit der Lehrkräfte, die wir für unsere jährliche Studie „Schule digital. Der Länderindikator“ befragt haben, fordert selbst, besser auf den Einsatz digitaler Medien im Unterricht vorbereitet zu werden und auch darauf, die digitalen Kompetenzen der Schüler zu fördern –und zwar sowohl in der universitären Ausbildungsphase als auch im Referendariat. Natürlich müssen schon im Lehramtsstudium medienpädagogische Kompetenzen vermittelt werden. Keine angehende Lehrkraft darf darum herumkommen, sich erzieherisch und didaktisch mit dem Lernen mit und über Medien im Unterricht auseinanderzusetzen. Denn wer das nicht von Anfang an systematisch lernt und ausprobiert, wird sich später umso schwerer damit tun, digitale Medien gewinnbringend für die Schüler einzusetzen.

Aber genauso müssen selbstverständlich auch die Lehrkräfte, die schon im Schuldienst sind, zum Einsatz digitaler Medien befähigt werden. Und zwar alle, denn nicht nur die Kultusministerkonferenz betont, dass die Kompetenzen, die jeder von uns für ein Leben in der digitalen Welt braucht, weit über informatische Grundkenntnisse hinausgehen. Ob Mathe, Deutsch oder Sozialkunde: Jedes Fach ist gefordert, die für seinen Bereich erforderlichen Digitalkompetenzen zu vermitteln.

Regelmäßig lesen und hören wir, dass die digitalen Medien das Lernen und Lehren massiv verändern werden. Untersuchungen gehen aber auch davon aus, dass die Medien das Lehren und Lernen nicht a priori verändern werden. Müssen wir nicht eher zu folgender Erkenntnis kommen: Nicht die Technik wird die Bildung verändern, es sind vielmehr die Menschen, die mit Hilfe von Technik die Bildung verändern können, um eine andere Lernkultur zu etablieren.

Selbstverständlich! Jede Technik dürfen wir nur als Hilfsmittel begreifen. Genau wie Hammer oder Pinzette: Nur adäquat angewendet, kann sie ihren Zweck erfüllen. Der pädagogische Nutzen muss klar sein, die technische Ausstattung im Einklang damit sein. Ob digitale Medien die Bildung verbessern, hängt von denen ab, die sie gestalten.

Dazu braucht es aber auch den Willen zur Veränderung – in vielerlei Hinsicht. In unseren zehn Positionen zu guter MINT-Bildung in der digitalen Welt sagen wir deshalb ganz deutlich: Bildungseinrichtungen müssen neu gedacht werden; und zwar ganzheitlich: von der Architektur von Gebäuden und Unterrichtsräumen über die Öffnung für außerschulische Partner bis hin zur systematischen Zusammenarbeit der Lehrkräfte bei der Unterrichtsentwicklung. Womit wir wieder bei den Lehrkräften wären, auf die kommt es einfach an.

Wie verändert die Methodik des digitalen Lernens zukünftig die Rolle des Lehrers?

Es ist weniger die Methodik des digitalen Lernens im speziellen, die die Rolle der Lehrkraft verändert, als vielmehr die Erkenntnis, dass viele verbreitete Methoden, insbesondere der Frontalunterricht, einfach nicht gut funktionieren – und zukünftig noch weniger funktionieren werden. Denn die Schülerschaft wird noch heterogener werden, als sie es heute schon ist, insbesondere durch Zuwanderung und Inklusion. Digitale Medien bieten da enorme Chancen für personalisiertes Lernen. Damit die Schülerinnen und Schüler davon profitieren können, müssen die Lehrkräfte sich in der Tat umstellen. Statt sich wie bisher vor allem als Vermittler von Inhalten zu begreifen, müssen sie nun individuelle Lernarrangements entwickeln, die unterschiedlichen Lernenden und ihren jeweiligen Potenzialen gerecht werden. Wenn sich die Schülerinnen und Schüler auf Lernplattformen Faktenwissen aneignen können und dieses mit Selbstlernaufgaben anzuwenden üben, dann wird die Lehrkraft zum Lernbegleiter und Berater für individuelle Lernbedürfnisse. Die Arbeit mit jedem einzelnen Schüler, auch die Beziehungsarbeit, erhält mehr Raum, weil die digitalen Medien Aufgaben abnehmen.

Wagen wir einen Blick nach vorn. Wie stellen Sie sich den Unterricht der Zukunft vor?

Mein Idealbild: Dank neuer Lehrmethoden, nach denen die Lehrkraft digitale wie auch analoge Medien pädagogisch sinnvoll einsetzt, lernt jeder Schüler in seinem Tempo und auf die für ihn beste Art und Weise. Und weil jeder Lernende bei seinen persönlichen Lernbedürfnissen abgeholt werden kann, kommen alle zum für sie bestmöglichen Lernziel.

Viele Schulen haben sich schon auf einen guten Weg gemacht, nicht nur international, sondern auch in Deutschland. 38 von ihnen haben wir mit dem Forum Bildung Digitalisierung, einer gemeinsamen Initiative mehrerer großer Stiftungen, in der Werkstatt schulentwicklung.digital versammelt. Dort haben wir zusammen sieben Handlungsfelder und -empfehlungen für gute Bildung im digitalen Wandel entwickelt und unter anderem zusammengetragen, wie sich die Möglichkeiten neuer Technologien nutzen lassen, um guten, motivierenden und zeitgemäßen Unterricht zu machen. Die Ergebnisse werden Ende November bei einer Konferenz in Berlin vorgestellt und öffentlich weiterdiskutiert und -gedacht.

Speziell für MINT – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, denn das ist ja unser Spezialgebiet – wollen wir als Telekom-Stiftung ab Anfang nächsten Jahres mit Experten für digitales Lernen Szenarien für das Lehren und Lernen der Zukunft entwickeln. Von diesem Thinktank erwarten wir unter anderem Impulse für die Lehrerbildung und den Unterricht von morgen.

Veröffentlicht am 10.11.17

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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