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5 Fragen — 5 Antworten: Mit Dr. Sybille Klenzendorf

Dr. Sybille Klenzendorf (1971 in Oldenburg geboren) ist eine deutsche Tierbiologin und aktive Tierschützerin beim WWF. wissensschule tauschte sich mit ihr über die Veränderungen unseres Ökosystems, die Lebenssituation der Eisbären sowie lebensnahen Unterricht aus.

Die Frage, was man nach dem Abitur vorhat, nervt nicht nur die Abschlussklassen. Mit der Antwort „Irgendetwas mit …“ zählen einige Schüler schon zu den Entschlossenen. Direkt ins Studium, eine Ausbildung machen oder  im Ausland erste Erfahrungen sammeln? Den eigenen Interessen folgen oder einen sicheren Weg gehen? Wozu würden Sie jungen Menschen raten?

Das Wichtigste an einem erfolgreichen und glücklichen Berufsleben ist es, dieses mit Leidenschaft und Herz zu betreiben. Einige wenige Schüler wissen schon von Klein an, was sie später einmal werden wollen oder aber was für einen Weg sie gehen müssen, um ihren Traumberuf zu verwirklichen.  Ich hatte das Glück schon als kleines Kind zu wissen, dass ich etwas mit Tieren und Natur machen wollte.  Ein tolles Studium in den USA, praktische Erfahrungen in Volontärprojekten, wie  zum Beispiel beim US Park Service, Auslandserfahrung in Nordamerika, Afrika und Asien und viel Kontaktpflege haben es mir ermöglicht, beim WWF als Naturschützerin zu arbeiten.

Durch den Tweet der damals 17-jährigen Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen  mit behandelt werden sollten, wird die Diskussion um die Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema, bereitet Schule zu wenig auf das Leben vor?

Lebensnaher Unterricht bedeutet für mich, dass man lernt, wie man Lösungen zu aktuellen Problemen findet und umsetzt.  Naina hat Recht, dass solche Situationen mehr in den Unterricht eingebaut werden könnten.  Mathe, Deutsch und Naturkunde kann man wunderbar an heutigen Problemen, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit und Klimaschutz aufarbeiten.  Manche Lehrer machen das schon aus Eigeninitiative, aber es könnte mehr Unterstützung dafür geben.

Der Eisbär ist Botschafter für den Umweltschutz und gleichzeitig Symboltier der globalen Erderwärmung. Forscher prognostizieren, dass sich die Zahl der Eisbären bis 2050 weltweit um 30 % verringern wird. Doch die Lage die Eisbären ist vielschichtiger als den meisten Menschen bekannt ist. Eisbären in freier Wildbahn leben heute in Kanada, den USA, Grönland, Norwegen und Russland. 19 unabhängige Populationen leben um den Nordpol verteilt, drei davon sind akut gefährdet, sechs sind stabil und eine wächst sogar. Wie ist es wirklich um die Situation der Eisbären bestellt und wo muss hier gegen gesteuert werden?

Der Klimawandel hat in der Arktis besonders dramatische Auswirkungen: Die durchschnittliche Lufttemperatur in der Arktis ist in den vergangenen 100 Jahren um etwa fünf Grad Celsius gestiegen. Das ist doppelt so viel wie auf dem Rest der Erde.  Die Ausdehnung des Packeises ging zuletzt um zehn Prozent pro Jahrzehnt zurück. Damit schmilzt auch der Lebensraum des Eisbären immer weiter zusammen. Wissenschaftliche Arbeiten zeigen, dass die Eisbär Populationen bis Mitte des Jahrhunderts um mindestens 30% zurückgehen werden, selbst wenn

die Klimaerwärmung morgen gestoppt werden könnte.  Noch gibt es aber Hoffnung,  dass der Eisbär langzeitlich überleben kann.  Dazu ist es zwingend wichtig das Paris Abkommen zum Klimaschutz in die Tat umzusetzen.

Der norwegische Polarforscher Jon Aars hat im Sommer die Eisbären auf Spitzbergen gezählt und dabei festgestellt, dass deren Zahl im Vergleich zur letzten Zählung vor elf Jahren um gut vierzig Prozent gestiegen ist. Entwarnung oder nur eine nicht im Gesamtkontext zählende Zwischeninformation?

Das Schmelzen des Packeises und damit die Gefahr für Eisbären ist in der Arktis nicht überall gleich.  Verschiedene Topographie- und Meeresströmungen wirken sich unterschiedlich auf die Schmelzrate des Packeises aus.  In manchen Regionen sind Eisbären deshalb noch nicht so gefährdet wie in anderen. Es kann sogar sein, dass sich die Lebensbedingungen in bestimmten Regionen für Eisbären temporär verbessern, dies sich aber langzeitlich nicht halten wird, wenn das Eis weiter schmilzt.  Eins ist jedoch klar:  Wenn wir die Klimaerwärmung nicht stoppen, werden die Eisbären in der Zukunft aussterben.

Das gesamte Ökosystem verändert sich durch den starken Rückgang des Meereseises. Die Biologin Maria Nöthig vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung hat beispielsweise festgestellt, wie Bewohner des  Nordatlantiks in die wärmer werdenden arktischen Regionen einwandern. Was wie eine Bagatelle klingt, hat jedoch massive Auswirkungen: Kleinere Lebewesen ersetzen ihre arktischen Verwandten und setzen Tiere, die sich von ihnen ernähren, einem höheren Stress bei der Nahrungsaufnahme aus. Hat das wiederum nicht auch Auswirkungen auf das Artensterben?

Das arktische Ökosystem ist momentan im Wandel.  Durch die Erwärmung sehen wir neue Arten, wie zum Beispiel Orkas in der Arktis, die früher wegen ihrer Rückenflossen nicht im Eismeer zu finden waren.  Eis-obligatere Arten werden weiter Richtung Nordpol gedrängt und werden langzeitlich aussterben, wenn wir die Erwärmung nicht stoppen können.  Ähnliches sehen wir auch bei Tieren in alpinen Zonen, die ihren Lebensraum in immer höhere Regionen verlagern.  Für manche Arten, wie zum Beispiel der Goldkröte, ist es schon zu spät, aber viele Arten können wir noch retten, wenn wir der Klimaerwärmung jetzt aktiv entgegenwirken.  Dafür brauchen wir engagierte und lösungsorientierte Schüler und Studenten wie Euch.

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