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Faszination Skisprung: Die „Adler der Lüfte“ als Forschungsobjekt

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Sie rasen mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde die Schanze hinab, um kurz darauf fast schwerelos zu Boden zu schweben. Ganz so leicht wie es aussehen mag, ist es für die „Adler der Lüfte“, wie sie auch genannt werden, dann doch nicht: Der kleinste Fehler in der Luft kann den Skispringern den Sieg kosten oder sogar den Absturz bedeuten. Jahrzehntelang hat man deshalb nach der optimalen Flugtechnik gesucht. Doch gibt es diese eine Technik überhaupt, die jeder Athlet anstreben muss, um zu gewinnen? Alexander Jung, Masterstudent im Fachbereich Medizintechnik und Technomathematik der FH Aachen, beschäftigt sich derzeit am Institut für Biophysik in Graz genau mit diesem Thema und widerlegt die These vom perfekten Sprung.

In der Weltspitze des Skisprungs fällt auf: Athleten mit ähnlichen Sprungweiten nutzen unterschiedliche Flugtechniken. Diese Beobachtung machte Prof. Dr. Wolfram Müller vom Institut für Biophysik in Graz bei den Olympischen Winterspielen 2002. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Biophysik und dem Institut für Bioengineering (IfB) der FH Aachen führte Jung deshalb erstmals Optimierungsstudien im Skisprung durch, welche die individuellen Eigenschaften der Athleten einbeziehen.

Im Rahmen seiner Bachelorarbeit, die von Prof. Dr. Manfred Staat, Leiter des IfB und Prof. Müller betreut wurde, nutzte der 24-Jährige ein mathematisches Skisprungmodell, mit dem man die Bewegung der Athleten während der Flugphase simulieren kann. Mit Eingabe der Anlauf- und Absprunggeschwindigkeit werden für eine beliebige Schanze unter anderem die Flugkurve, die Entwicklung der Geschwindigkeit und der aerodynamischen Kräfte sowie die Sprungweite berechnet. Dieses Modell erweiterte er mit einem Algorithmus zur Optimierung der Flugtechnik auf der Basis von Windkanaldaten vieler Flughaltungen und unter Berücksichtigung individueller biomechanischer und aerodynamischer Eigenschaften. Die resultierenden optimierten Flugtechniken sind sehr verschieden, führen aber trotzdem zu ähnlichen Sprungweiten. Hiernach stand fest: Die Athleten müssen im Training ihr individuelles Optimum finden, anstatt sich an einer allgemeingültigen Technikvorlage zu orientieren. Diese neuen Forschungsergebnisse veröffentlichte Jung mit seinen Betreuern im Journal of Biomechanics und präsentierte sie sogar beim World Congress on Computational Mechanics in Barcelona. Dort kam sein 20-minütiger Vortrag so gut an, dass er eine Anfrage für das International Symposium on Computer Simulation in Biomechanics 2015 in Edinburgh erhielt.

Die Faszination für den Skisprung packte Jung bereits als Kind, als er den Sport im Fernsehen sah und anschließend mit selbstgebastelten Skiern aus Pappe die Rutsche im Garten hinabglitt. Mit Anfang Zwanzig besuchte er einen Tageskurs der Skisprungschule in Meinerzhagen und sammelte dort erste Erfahrungen im Skisprung – „ein unvergessliches Erlebnis“ für den jungen Mann. Schon häufig war er bei den Skisprungweltcups im sauerländischen Willingen dabei. Als Forscher wurde er sogar vom Internationalen Skiverband dorthin eingeladen, sodass Jung sich während des Springens an allen Stellen der Schanze ein sehr genaues Bild von diesem Sport machen konnte. „Gerade in Höhe des Schanzentisches sieht man, wie dynamisch und gefährlich das Skispringen ist“, beschreibt der Student seine Erfahrungen. Auch das wissenschaftliche Interesse an dieser Sportart kam früh – bereits in der zwölften Klasse schrieb Jung seine Facharbeit über den Skisprung. Während des Studiums kam das Verlangen nach mehr: In den Vorlesungen der Technischen Mechanik und der Mathematik an der FH Aachen konnte der Student die mathematische Modellierung des Skisprungs nachvollziehen und selbst programmieren – danach war er kaum mehr zu halten. Natürlich möchte er auch weiterhin für den Skisprung forschen. „Nach meinem Masterstudium würde ich gerne im Bereich Biomechanik promovieren“, erzählt Jung, „am liebsten möchte ich Sport und Medizin dabei verknüpfen“.

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