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5 Fragen — 5 Antworten mit Anna von Boetticher

Anna von Boetticher (1970 in München geboren) ist Deutschlands bekannteste Apnoetaucherin. Apnoetauchen bezeichnet das Tauchen ohne Sauerstoffflasche, bei dem die Menschen mit einem einzigen Atemzug in unglaubliche Tiefen abtauchen. In ihrer Karriere hat sie insgesamt 34 deutsche Rekorde aufgestellt und in vier Weltmeisterschaften dreimal Bronze geholt.

Die Frage, was man nach der Schule vorhat, nervt nicht nur die Abschlussklassen. Mit der Antwort „Irgendetwas mit …....“ zählen einige Schüler schon zu den Entschlossenen. Den eigenen Interessen folgen oder einen sicheren Weg gehen? Wozu würden Sie jungen Menschen heute raten?

Tja, wenn sich das so leicht beantworten ließe! Tatsächlich war es bei mir so, dass ich nie angestrebt habe, mit dem Tauchen meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es war eine Leidenschaft die ich durchaus auf einem professionellen Niveau ausgeübt habe, aber ich wusste auch, dass man sich die Leidenschaft sehr schnell verdirbt, wenn man sie zum Beruf macht. Für mich war es besser zu arbeiten und mir Freiräume zu schaffen - auch finanziell - um das Tauchen dann ohne Druck ausleben zu können, eben in dem Rahmen, in dem ich mir es ermöglichen konnte. Es ist sehr viel wert, einen stabilen Beruf zu haben denn tatsächlich schafft das viel Freiheit, um Dinge zu verwirklichen, die man sich sonst nicht leisten könnte.

Inzwischen verdiene ich mit verschiedenen Dingen um das Tauchen herum mein Geld, aber nach wie vor nicht wirklich mit dem Tauchen selbst. Dabei sind Fähigkeiten wichtig, die ich mir angeeignet habe. Der finanziell wichtigste Teil meines Berufslebens ist es zum Beispiel Vorträge für verschiedene Kunden zu halten, die mich für ihre Veranstaltung buchen. Das mache ich gerne und ich kann es gut, denn ich hatte schon vorher gelernt, frei zu sprechen und keine Scheu vor einem Publikum zu haben.

Eigenen Interessen zu folgen und einen sicheren Weg zu gehen schließt sich aus meiner Sicht nicht unbedingt aus. Von beiden Elementen etwas im Leben zu haben, ist ideal.

Durch den Tweet der damals 17-jährigen Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen mit behandelt werden sollten, wird die Diskussion um die Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema, bereitet Schule zu wenig auf das Leben vor?

Natürlich ist es so, dass man in der Schule viele Dinge lernt, die man später im Alltag vielleicht nicht braucht. Aber dennoch bereiten sie einen auf das Leben vor, denn sich Wissen anzueignen, auch in Bereichen, die man sich nicht aussuchen würde, öffnet unseren Horizont und macht es erst möglich, zu entdecken was uns vielleicht interessieren wird. Ich habe das auch immer so empfunden, obwohl ich in der Schule natürlich vieles gehasst habe, wie jeder. Ich hatte dabei aber immer das Bewusstsein, dass es ein enormes Privileg ist, einfach lernen zu dürfen. Wenn wir die Schule verlassen heißt das dann auch, selbstständig zu werden und sich die vielen Fertigkeiten, die man im Alltag braucht, anzueignen. Und genau diese Fähigkeit zum flexiblen Denken und weiter lernen haben wir dann aus der Schule mitbekommen. Ich finde also, dass die Schule mich sehr stark auf das Leben vorbereitet hat. Aber natürlich gehört auch dazu, Lehrinhalte zu überdenken und anzupassen - als ich in der Schule war, gab es zum Beispiel den ersten Informatik Unterricht, weil Computer auf einmal eine Rolle spielten. Ich kann mir also gut vorstellen, dass es auch jetzt Themen gibt, die man vermehrt einbinden könnte.

Viele Menschen können sich unter Apnoetauchen nicht so sonderlich viel vorstellen. Können Sie es kurz und verständlich vorstellen und die Besonderheit dieser nicht ganz ungefährlichen Sportart beschreiben?

Apnoetauchen bedeutet, mit nur einem Atemzug unter Wasser zu sein - wenn es um Wettkampf geht, dann so lange wie möglich, so weit wie möglich oder so tief wie möglich. Wettkampf ist aber nur ein kleiner Teil des Sports, die meisten Leute üben ihn einfach so aus, für sich. Das Besondere daran ist Auseinandersetzung mit Körper und Geist. Zu erleben, dass man sich als Mensch an den Lebensraum unter Wasser anpassen kann und ohne Stress, ohne das Bedürfnis zu atmen dort unten sein kann, ist schon erstaunlich. Tatsächlich gibt es beim Apnoetauchen so gut wie gar keinen Grund, zu Schaden zu kommen - vorausgesetzt, man ist korrekt gesichert. Schief geht es, wenn Leute alleine trainieren - dann reicht auch die Badewanne. Also unbedingt einen Anfängerkurs machen oder zu einer Gruppe in einem Verein gehen, um zu lernen wie man sicher taucht und trainiert. Dann ist es wirklich nicht gefährlich.

Die Auswirkungen des Klimawandels machen auch vor unseren Meeren nicht halt. Haben Sie bei Ihren Tauchgängen in den unterschiedlichsten Regionen der Erde signifikante Veränderungen feststellen können?

Egal, wohin man kommt, man bemerkt die Veränderung überall auf der Welt. Ich habe Riffe gesehen, die nach einem El Nino-Event komplett gebleicht waren. Das ist schon drastisch.

Eine zu kleine Lunge und eine Autoimmunkrankheit haben Sie nicht aufhalten können. Sie sind ein perfektes Beispiel dafür, dass jede/jeder, so sie/er will, ihren/seinen Traum verwirklichen kann. Warum sollte man sich nicht trotz Einschränkungen davon abhalten lassen, Dinge zu tun , die einen neugierig machen und die man ausprobieren möchte?

Dazu muss ich sagen, dass ich ja gar nicht einen bestimmten "Traum" in Bezug auf das Apnoetauchen hatte. Ich habe es einfach nur geliebt, die Unterwasserwelt zu erkunden und dachte mir eines Tages, ich möchte mal Apnoetauchen und ich kucke mal, wie tief ich wohl tauchen kann. Ganz normal, ohne ein Ziel. Das heißt ja auch, es ist ganz egal, ob ich körperlich dafür gut geeignet bin, ich hatte ja nicht vor, Weltmeister zu werden, ich wollte es nur machen, mit den Möglichkeiten, die ich hatte. Gleich einen "Traum" daraus zu machen, ist aus meiner Sicht ein Fehler. Wenn ich mich nur mit Olympiasiegern vergleiche, dann brauche ich bei den meisten Sachen gar nicht erst anfangen, denn nur wenige Menschen können Goldmedaillen gewinnen. Es geht nicht darum, ein großartiges Ziel zu haben, sondern darum, sich einfach auszuprobieren, neugierig zu sein, sich zu trauen, Anfänger zu sein und zu gucken, was man vielleicht lernen kann und was einem Freude machen wird. Jeder Versuch, jeder Schritt den man dabei macht, ist eine Bereicherung und einer mehr, als wenn man gar nichts versucht. Also: einfach loslegen und Spaß haben!

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