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Kein Smartphone im Schulunterricht

Eine Meinung von Prof. Dr. Christian Montag

Prof. Dr. Christian Montag, Heisenberg Professor am Institute for Psychology and Education des
Zentrum für Biomedizinische Forschung | Foto: Elvira Eberhardt/Universität Ulm

In Frankreich hat Präsident Emmanuel Macron gerade sein Wahlversprechen umgesetzt und Smartphones aus dem Unterricht verbannt. Genauer soll es unter 15 Jährigen nicht erlaubt sein, die Geräte in der Schule zu nutzen. Dadurch ist bei uns erneut die Diskussion entbrannt, ob dies im Zeitalter der Digitalisierung tatsächlich sinnvoll ist oder ob deutsche Schüler durch ein ähnliches Verbot in die „digitale Steinzeit“ zurückgeworfen würden.

Ich selber kann die Aufregung über ein solches Verbot nicht nachvollziehen, da wir mittlerweile mehrere wissenschaftliche Ergebnisse darüber haben, die ein solches Verbot stützen. Unter anderem ist bekannt, dass die täglichen Unterbrechungen durch die zahlreichen Nachrichten über WhatsApp& Co. (natürlich besonders im Schulunterricht), den Alltag fragmentieren und die Schüler und Schülerinnen von den eigentlichen Lerninhalten ablenken. Konzentriertes Lernen kann so nicht stattfinden. Natürlich auch nicht am heimischen Schreibtisch. Passend dazu konnten wir in einer kürzlich veröffentlichen Arbeit erste Hinweise darauf finden, dass „Smartphone-Sucht“ mit geringerer Produktivität assoziiert ist und dieser Zusammenhang mit großer Wahrscheinlichkeit durch die vielen Unterbrechungen im Alltag erklärt werden kann. Eine neue weitere Arbeit konnte sogar zeigen, dass die bloße Anwesenheit des Smartphones auf dem Schreibtisch kognitive Ressourcen abzieht. Im Schulunterricht würde das bedeuten, dass ein auf dem Schultisch liegendes Smartphone bereits die Aufmerksamkeit auf sich zieht und so vom Unterricht ablenkt. Weitere Ergebnisse einer Studie aus UK zeigten, dass ein Smartphone-Verbot im Klassenzimmer die Schulnoten der Schüler verbesserte und dieseEffekte besonders bei den schwächeren Schülern zu beobachten waren. Berücksichtigt man weitere Probleme wie Cyberbullying, d. h. dass Kinder sich gegenseitig auf Social Media Plattformen bloßstellen, wird meines Erachtens deutlich, warum Smartphones und Social Media im Klassenzimmer nichts verloren haben. Ich bin davon überzeugt, dass ohne Smartphones auch wieder mehr echte Gemeinschaft in den Schulen entstehen würde.

Ich spreche mich übrigens nicht generell gegen digitale Inhalte im Klassenzimmer aus. Durchaus kann es sinnvoll sein, bestimmte Lerninhalte im Unterricht in einer 3D-Animation auf dem Tablet zu zeigen oder gemeinsam zu lernen, wie man in den Weiten des World Wide Webs richtig recherchiert.  Dafür bedarf es aber Tablets oder Laptops auf denen keine Social Media- oder Gaming-Applikationen zu finden sind, bzw. diese auch nicht während des Unterrichts installiert werden können. Außerdem: Um im Internet „Fake News“ von richtigen Nachrichten unterscheiden zu können, bedarf es neben Medienkompetenz erst mal gehöriger Sprachkenntnisse, genauso wie analytische Fähigkeiten. Bevor Kinder also in Schulen Programmieren lernen (möglicherweise Programmiersprachen, die man in zehn Jahren gar nicht mehr braucht), sollten erst mal zeitlose Fähigkeiten im Bereich Sprache, Mathematik, kritisches Denken, usw. vermittelt werden. Und für Eltern, die unbedingt ihre Kinder per Telefon in der Schule erreichen wollen, sollte meines Erachtens ein einfaches Mobiltelefon ohne Internetanbindung genügen.

Ein Hinweis in eigener Sache: Auf unserer Selbsttest-Plattform www.smartphone-addiction.de erfahren User ihre eigenen Suchtwerte im Bereich Smartphones, WhatsApp und Facebook im Vergleich zu mittlerweile knapp 4000 Teilnehmern.

Weiterführende Literatur zum Thema „Smartphones in der Schule“:

Beland, L.P. & Murphy, R. J.(2016). Ill Communication: Technology, distraction & student performance. Labor Economics, 41, 61-76.

Duke, É., & Montag, C. (2017). Smartphone addiction and beyond: Initial insights on anemerging research topic and its relationship to internet addiction. In C. Montag & M.Reuter (Hrsg.), Internet addiction. Studies in neuroscience, psychology and behavioraleconomics (S. 359–372). Cham: Springer.

Duke, É., & Montag, C. (2017). Smartphone addiction, daily interruptions and self-reportedproductivity. Addictive Behaviors Reports, 6, 90–95.

Montag, C. (2018). Homo Digitalis: Smartphones, soziale Netzwerke und das menschliche Gehirn. Wiesbaden, Springer.

Ward, A. F., Duke, K., Gneezy, A., & Bos, M. W. (2017). Brain drain: The mere presenceof one’s own smartphone reduces available cognitive capacity. Journal of the Associationfor Consumer Research, 2(2), 140–154.


Zur Person: Christian Montag ist Professor für molekulare Psychologie an der Universität Ulm und Gastprofessor an der UESTC in Chengdu, China. Er erforscht, wie digitale Welten den Menschen verändern und, wie Smartphones und das Internet die Gesellschaft beeinflussen.

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