5 Fragen — 5 Antworten mit Matthias Horx
Matthias Horx (1955 in Düsseldorf geboren) ist ein deutscher Trend- und Zukunftsforscher, Publizist und Visionär.
Die Frage, was man nach der Schule vorhat, nervt nicht nur die Abschlussklassen. Mit der Antwort „Irgendetwas mit …....“ zählen einige Schüler schon zu den Entschlossenen. Den eigenen Interessen folgen oder einen sicheren Weg gehen? Wozu würden Sie jungen Menschen heute raten?
Es gibt keinen sicheren Weg. Leben ist immer ein Sich-Selbst-Finden mit großen Überraschungen. Dafür kann man nur Anstöße geben, aber keine fixen "Antworten". Rat geben ist deshalb beschränkt auf ein Spiegeln, eine Beziehung, auf die sich beide Seiten, Lehrer und Schüler, einlassen müssen. Gute Lehrer und gute Schulen können das.
Durch den Tweet der damals 17-jährigen Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen mit behandelt werden sollten, wird die Diskussion um die Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema, bereitet Schule zu wenig auf das Leben vor?
Schule sollte mitten im Leben stehen, in der Gesellschaft, in der WELT als Großes, Ganzes. Vorbereiten kann man sich nicht auf alles, das würde die Schule überfordern. Und ob Steuern oder Miete so ein sexy Schulfach wären, ich weiß nicht... Wissen ist ja nicht etwas Objektives, was man einfach "transferiert". Es ist ein Prozess, bei dem Neugier, mentale Energie, Selbst-Veränderung eine Rolle spielt. Für Lehrer UND Schüler!
Ukrainekrieg, gebrochene Lieferketten, eine hohe Inflation und eine sich im Herbst abzeichnende erneute Corona-Pandemie lassen einen nicht unbedingt optimistisch in die Zukunft schauen. Welche Reaktionen nehmen Sie bei den meisten Menschen wahr?
Seit ich denken kann, gab es immer Zukunftsangst. Angst ist ein natürlicher Reflex, den man schlecht kritisieren kann. Aber Angst kann kein dauerhafter Zustand sein. Angst kann uns Aktivieren, zu verstehen, was eigentlich passiert: Viele der Prozesse und Systeme der modernen Welt sind nicht resilient, nicht nachhaltig genug. Warum können denn Lieferketten so schnell brechen? Weil sie in extremer Weise optimiert wurden. Inflation gilt als Schreckens-Gespenst. Aber wenn wir das Phänomen etwas genauer ansehen, könnte es auch heißen, dass vorher vieles VIEL zu billig war, Fleisch war zu billig (ist es immer noch) Fliegen. Benzin, Kohlenwasserstoffe... in gewisser Weise erzählt uns die Inflation eine ökonomische Wahrheit: Was irgendwann künstlich verbilligt wurde, funktioniert irgendwann nicht mehr.
Seit mehr als zwei Jahren bestimmt das Coronavirus den Alltag von Menschen nicht nur in Deutschland. Trotz aller Einschränkungen und Entbehrungen hat Corona aber auch Positives in Gang gesetzt: So konnten viele neue Erfahrungen von Solidarität, Mitmenschlichkeit, Zusammenhalten und Mut gemacht werden, ebenso wurde das Homeoffice für viele zu einer Selbstverständlichkeit. Dennoch wird die Corona-Pandemie von den meisten Menschen fast ausschließlich als Katastrophe wahrgenommen. Warum sind die Menschen so sehr auf das Negative fixiert, weil es so bequemer ist und man sich wohl fühlt in seiner Opferrolle?
Die Opferrolle ist sehr lukrativ, weil sie ja eine klare Definition mit sich bringt: Ich trage keine Verantwortung. Jammern und "Die da oben" kritisieren soll letztendlich davon ablenken, dass wir in manchen Situationen etwas tun müssen, was uns individuell einschränkt, der Gemeinschaft aber Vorteile bringt. Das Opfer- Gefühl wird in unserer modernen Medienkultur ausgebeutet und verstärkt. Bad News sind Good News, weil sie die Leute beim Klicken und am Bildschirm halten. Dadurch tendieren wir in Richtung einer Hysterisierung, in der alle aufeinander einschreien und nichts mehr bewältigt wird. Krisen können aber auch zu Entscheidungen führen, zum Beispiel, mit dem Jammern aufzuhören. Erwachsen zu werden. Wir können in dieser Hinsicht viel von den Ukrainern lernen.
Über kaum ein Thema wird mit so vielen Klischees, Missverständnissen und Ängsten kontrovers diskutiert wie das mit Künstlicher Intelligenz. Menschenähnliche Roboter in Alten- oder Pflegeheimen, dozierende Roboter in Uni-Hörsälen verunsichern viele Menschen und schüren deren Ängste. Aber macht es nicht geradezu Sinn darüber nachzudenken, digitale Expertensysteme zu nutzen, um unsere menschlichen Fähigkeiten sinnvoller zu nutzen?
Die meisten dieser Debatten laufen auf eine blauäugige Verherrlichung von Technologie hinaus, die in die Irre führt. Die Digitalisierung ist eine Art Mythos, ein Kult geworden, der regelrecht religiöse Züge trägt. Er ist voller Wunder-Geschichten, die sich dann doch nicht realisieren, beziehungsweise zu ganz anderen Ergebnissen führen als erwartet. Wenn wir Pflegeroboter in die Altenheime schicken, werden die Alten sterben. Wenn wir das Lernen maschinisieren, werden die Menschen dumm, denn Lernen hat immer etwas mit Begegnung und Zuneigung zu tun. Zur Intelligenz gehört ja auch das Emotionale. KI-Systeme können zur Übernahme von rechenhaften Routinen sinnvoll sein, etwa erneuerbare Energiequellen steuern oder große Datenmengen sortieren. Aber die Frage, was sie BEWIRKEN und wo sie wirklich eingesetzt werden sollen, brauchen wir eine humanistische Ethik.