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5 Fragen — 5 Antworten mit Mirrianne Mahn

12. September 2023
Foto: Katharina Dubno

Foto: Katharina Dubno

Mirrianne Mahn (1989 in Kamerun geboren) ist eine politische Aktivistin, Politikerin, Theatermacherin und Autorin. Seit September 2020 ist sie Mitglied der Partei Bündnis90/DieGrünen. Frau Mahn ist Stadtverordnete in Frankfurt am Main und Vorsitzende des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und Sport sowie Mitglied im Ausschuss für Bildung/Schulbau und Wirtschaft, Recht und Frauen. Ihre Themen sind Diversität, Antidiskriminierung und Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe.

Die Frage, was man nach der Schule vorhat, nervt nicht nur die Abschlussklassen. Mit der Antwort „Irgendetwas mit …....“ zählen einige Schüler schon zu den Entschlossenen. Den eigenen Interessen folgen oder einen sicheren Weg gehen? Wozu würden Sie jungen Menschen heute raten? 

Ich würde jungen Menschen dazu raten, sich von älteren Menschen nicht so sehr stressen zu lassen. Leben passiert, während man es lebt und wir sollten Mut haben Dinge auszuprobieren, weil wir neugierig sind und schauen wollen, ob es uns gefällt und dann auch gerne wieder aufhören und etwas ganz anderes machen. Ich finde die Vorstellung, dass man als junger Mensch wissen soll, was man den Rest seines Lebens machen will, absurd. 

Durch den Tweet der damals 17-jährigen Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen mit behandelt werden sollten, wird die Diskussion um die Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema, bereitet Schule zu wenig auf das Leben vor? 

Ich finde, dass Schule nicht nur zu wenig auf das Leben vorbereitet, sondern auch noch das Gehirn junger Menschen mit Schrott vollstopft. Wir haben ein Schulsystem, was systematisch Individualität zerstört, und Gleichheit belohnt. Wir sind aber eine diverse Gesellschaft, die immer diverser wird. Menschen haben unterschiedliche Stärken und Schwächen und diese sollten entsprechend berücksichtigt werden. Damit würde man als Mensch besser auf das spätere Leben vorbereitet werden, als einfach den Lehrplan umzustellen. Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen.

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Artikel 3, Absatz 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Soweit die Theorie, wie sieht in Ihren Augen die Praxis aus?

Leider zeigt sich in der Praxis, dass die Durchsetzung unseres Antidiskriminierungsgesetzes problematisch ist. Ein Teil des Problems liegt darin, dass die Mehrheitsgesellschaft oft nicht ausreichend sensibilisiert ist, um Diskriminierung und deren alltägliche Auswirkungen genau zu verstehen. Es bleibt immer noch die Aufgabe der marginalisierten Personen, nachzuweisen, dass sie diskriminiert werden. Dies ist an sich bereits paradox, da die Definition und Interpretation von Diskriminierung oft noch in den Händen von Personen liegt, die nicht von Diskriminierung betroffen sind.

Im ARD-Deutschlandtrend im Juni ist die AfD auf 18 Prozent der Stimmen gekommen, solche Werte hatte sie in der Sonntagsfrage zuletzt 2018 erreicht. In Sachsen und Thüringen ist sie in Umfragen sogar stärkste politische Kraft. Die Frage nach den Ursachen für die Sympathien mit den Rechtspopulisten wurde in den vergangenen Jahren häufig gestellt. Ist es die Verunsicherung angesichts einer komplexer werdenden Welt, ist es Abstiegsangst oder sind es rassistische oder antidemokratische Einstellungen, wie sehen Sie das?

Ich sehe die Wahlergebnisse der AfD eindeutig als Ausdruck einer rassistischen und antidemokratischen Tendenz in unserer Gesellschaft, die bislang nicht ausreichend aufgearbeitet wurde. Die deutsche Kolonialgeschichte kommt in den Lehrplänen kaum vor. Meiner Meinung nach sollten Kritiker der AfD aufhören, die Wählerinnen und Wähler zu entmündigen und ihre Wahl als bloßen Protest abzutun. Die Ängste der Menschen müssen ernst genommen werden. Gleichzeitig ist es jedoch entscheidend zu verstehen, dass wir die Bevölkerung darüber aufklären müssen, welche Konsequenzen es haben könnte, wenn eine undemokratische Partei wie die AfD an die Macht gelangt.

Der Verein Charta der Vielfalt e. V. tritt als Unternehmensinitiative seit 2010 dafür ein, Diversity Management fest in der deutschen Wirtschaft zu verankern. Über 2.400 Unternehmen und Institutionen mit insgesamt 8,1 MillionennBeschäftigten haben die Selbstverpflichtung Charta der Vielfalt seit 2006 bereits unterzeichnet und tragen dazu bei, Diversity Management in Deutschland gezielt zu fördern. Wie fällt Ihre Bilanz dazu aus?

Leider liegt Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern und den USA immer noch deutlich zurück. Ich denke, dies hängt damit zusammen, dass in den Köpfen vieler Menschen "Deutschsein" nach wie vor mit "Weißsein" gleichgesetzt wird. Dies kann deutschen Unternehmen oft im Wege stehen. Allein die Anforderungen an die Sprache und der Umgang mit Namen, die nicht deutsch klingen, in Bewerbungsverfahren zeigen, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. Eine Möglichkeit, die Charta tatsächlich umzusetzen, wäre der Einsatz von anonymisierten Bewerbungen als erster Schritt.

Veröffentlicht am 12.09.23

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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