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5 Fragen — 5 Antworten: Mit Prof. Dietrich Grönemeyer

22. Juli 2016

Professor Dietrich Grönemeyer (1952 in Clausthal-Zellerfeld geboren) ist ein deutscher Mediziner, Medizinunternehmer, Wissenschaftler, Autor und gemeinnütziger Stifter. Mit seiner von ihm gegründeten Stiftung setzt er sich für Gesundheitsunterricht an Schulen ein und bildet Schüler zu Gesundheitsbotschaftern aus. wissensschule tauschte sich mit ihm über häufigen Ausfall von Sportunterricht, seine Stiftung sowie Gesundheitsprobleme junger Menschen aus.

Dietrich GrOnemeyer

Die Frage, was man nach dem Abitur vorhat, nervt nicht nur die Abschlussklassen. Mit der Antwort „Irgendetwas mit ...“ zählen einige Schüler schon zu den Entschlossenen. Direkt ins Studium, eine Ausbildung machen oder  im Ausland erste Erfahrungen sammeln? Den eigenen Interessen folgen oder einen sicheren Weg gehen? Wozu würden Sie jungen Menschen raten?

„Wenn dein Weg ganz klar vor dir liegt und du jeden Schritt schon im Voraus kennst, dann ist es nicht dein Weg“ – hat Joseph Campbell mal gesagt. Gemeint hat er: Wer seinen eigenen Weg gehen will, der sollte das tun. Und mit jedem Schritt, den du bewusst gehst, wirst du spüren, wohin du gehst und möchtest. Flexibilität und Spontanität haben etwas Befreiendes – Planung etwas Kontrolliertes – vielleicht liegt der Weg auch in der Mitte. Henry Ford hat es mal so gesagt: „Jeder Mensch ist hier, um Erfahrungen zu sammeln. Das ist alles, was wir vom Leben bekommen können.“ Meine Erfahrung speziell als Arzt ist auch die: Wir können alle selbst so viel tun, um gesund und fit zu bleiben. Wissen ist eine Basis dafür. Alle Menschen sollten über ihren Körper und ihre Gesundheit Bescheid wissen. Verantwortung. Eigenverantwortung. Das Leben in die Hand nehmen. Fühle dich! Dein eigenes Ich! Sei offen! Mit einem Schulabschluss beginnt eine neue Phase des Lebens. Jede ist ein Geschenk, für das man dankbar sein sollte.

Durch den Tweet der damals 17-jährigen Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen  mit behandelt werden sollten, wird die Diskussion um die Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema, bereitet Schule zu wenig auf das Leben vor?

Ja, ich erinnere mich genau. Es war der 10. Januar 2015. Keine 140 Zeichen reichten, um einen Sturm von Kommentaren und die x-te Bildungsdiskussion auszulösen. Ob der „Fall Naina“ seine Berechtigung hat? Gute Frage. Sicher ist: Bildungspolitik ist mit Blick auf die digitalisierte Meinungsfreudigkeit mehr denn je zum Spielball der Medien und Meinungsmacher geworden. Mal ist es ein Tweet, mal der Wunsch der engeren Verzahnung zwischen Unternehmen und Schule, der im Fach „Wirtschaftsunterricht“ mündet. Ich denke, die meisten Lehrerinnen und Lehrer leisten genau so gute Arbeit wie die Fächer und ihre Inhalte sinnvoll sind. Ob Schule oder Universität: Beides sind Orte des Lernens. Dabei geht es auch um das Lernen des Lernens – also nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch die Frage nach der Wissenserschließung. Es geht darum, Werkzeuge in die Hand zu geben, damit Schüler Zugang zu Wissen bekommen – welches ihnen dann besonders wichtig ist, werden sie selbst entscheiden müssen. Konkret zu Steuern, Miete und Versicherungen – ich könnte mir vorstellen, dass Kinder hier durchaus auch von ihren Eltern lernen können.

Nachrichten über häufigen Unterrichtsausfall im Schulfach Sport,  Kinder die immer häufiger  zu spät schwimmen lernen sowie eine wachsende Anzahl adipöser Schulkinder aufgrund mangelnder Bewegung, machen die Runde. Wie denkt ein Experte wie Sie über solche Entwicklungen?

Dass mir Bewegung, Sport und Ernährung wichtig sind, ist kein Geheimnis. Seit Jahren setze ich mich deshalb auch für Gesundheitsunterricht von Kindesbeinen an ein. Der ist für mich im wahrsten Wortsinn „lebenswichtig“. Die Zahlen sprechen eine traurige Sprache: Mehr als 60 Prozent der Erwachsenen, sagt die WHO, bewegen sich zu wenig. Jeder Vierte ist komplett passiv. In Deutschland sind rund 37 Millionen Erwachsene übergewichtig, 30 Prozent ernähren sich falsch. Gerade Kinder und Jugendliche leiden zunehmend an vermeidbaren Zivilisationskrankheiten, unter anderem, weil sie – unhinterfragt - die ungesunde Lebensweise ihrer Eltern übernehmen. 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren sind übergewichtig, sechs Prozent der Kinder sogar krankhaft. Mögliche Folgen: Diabetes, Rücken- und Gelenkschmerzen, Herz-Kreislauf-Probleme. Krankheiten, die noch vor wenigen Jahren älteren Jahrgängen vorbehalten waren. Gerade weil an Schulen immer wieder Sportunterricht ausfällt, Bewegung aber unverzichtbar ist für die kognitive Entwicklung, freue ich mich über jede Aktion, die Schwung in die Schule bringt – wie zum Beispiel „Die bewegte Schulpause“, die ich zusammen mit Deichmann initiiert habe.

Im Jahr 2007 gründeten Sie die  Dietrich Grönemeyer Stiftung,  die sich für Gesundheitsunterricht an Schulen einsetzt  und Schüler zu Gesundheitsbotschaftern ausbildet. Was waren Ihre Beweggründe für diese Stiftung und können Sie uns bitte etwas zu den Zielen Ihrer Stiftung sagen?

Der Philosoph Heraklit hat mal gesagt: alles fließt. Das gilt auch für mein künstlerisches Werk und soziales Engagement. Wenn es um das Thema Gesundheit und Aufklärung geht, versuche ich, die ganze Klaviatur des Möglichen zu spielen. Meine Stiftung widmet sich der Prävention bei Kindern und Jugendlichen. Wie gesagt, ich möchte mithelfen, Gesundheitsunterricht in Schulen zu verankern. Eine Stunde Bewegung an jeder Schule, an jedem Tag. Die Stiftung organisiert Gesundheitsspiele mit bis zu 1.500 Kindern, bei denen sich alles um Bewegung und gute Ernährung dreht. Die Stiftung bringt den „Medi-Circus“ auf die Bühne, ein Gesundheits-Mitmach-Theater extra für die Schulbühne. Und in der Stiftung werden Schüler zu Gesundheitsbotschaftern ausgebildet, um als „Schülerlehrer“ den Jüngeren, aber auch Eltern und Lehrern Medizin- und Gesundheitswissen zu vermitteln. Über allem steht: Die Kinder von heute dürfen nicht die Patienten von morgen werden!

Das von Ihnen im Jahr 2005 veröffentlichte Buch "Der kleine Medicus" hat im Gesundheitssektor ein neues Genre erschaffen: Edutainment oder aber auch Meditainment vermischt Fantasie mit der Wissenschaft von heute mit gutem Lesestoff für Kinder. Was war der Auslöser für diese Idee und mit welchen neuen spannenden Projekten dürfen wir hier  zukünftig noch rechnen?

Ich sehe die wachsenden Probleme in unserer Gesellschaft. Gerade bei den Kindern, die zunehmend auch von Volkskrankheiten betroffen sind. Mit meinen Büchern versuche ich, eine gesundheits- und krankheitsbewusste Generation von morgen heranwachsen zu lassen. Als Arzt möchte ich nicht nur heilen, ich möchte auch anderen helfen, sich selbst zu helfen. Jeder Mensch ist einzigartig, besonders. Jeder hat die Chance, sein Leben und das anderer zum Positiven zu verändern. Dafür muss es einem aber gut gehen, man muss sich akzeptieren, seinen Körper und sich selbst lieben lernen. Dabei hilft mir der kleine Medicus: ein Kinder-Gesundheits-Lehrer mit großen, neugierigen Augen und mächtig viel Spaß. Mir ist wichtig, dass schon Kinder über ihren Körper Bescheid wissen. Dass sie wissen, was sie tun können, wenn sie krank sind. Noch wichtiger: Was sie tun können, um gar nicht erst krank zu werden. Nur ein Beispiel: 70 Prozent der 10- bis 17-Jährigen haben schon Rückenschmerzen. 70 Prozent! Warum? Es sind die „tonnenschweren“ Tornister, der Leistungsdruck, das viele Sitzen in der Schule und Zuhause vor dem Computer. Die Bequemlichkeit spielt eine Rolle, die Unbeweglichkeit. Wir beobachten zunehmend, dass schon Kinder unter 10 Jahren unter Stress leiden, Kopfschmerzen haben oder an Alterszuckerkrankheit erkranken, junge Menschen Opfer von Burnout werden. 14-Jährige mit Bandscheibenvorfällen oder 20-Jährige mit Herzinfarkten oder Schlaganfällen, in was für einer Zeit leben wir?


Foto: Address Hannemann

Veröffentlicht am 22.07.16

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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