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5 Fragen — 5 Antworten mit Professor Manfred Fischedick

5. Juli 2021

Bildquelle: www.eventfotograf.in / ©JRF e.V.

Professor Manfred Fischedick (1964 in Heiden geboren) ist ein deutscher Energie- und Klimaforscher. Seit dem Jahr 2020 ist er wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und seit 2008 außerplanmäßiger Professor an der Schumpeter School of Business der Bergischen Universität Wuppertal. 

Die Frage, was man nach der Schule vorhat, nervt nicht nur die Abschlussklassen. Mit der Antwort „Irgendetwas mit …....“ zählen einige Schüler schon zu den Entschlossenen. Den eigenen Interessen folgen oder einen sicheren Weg gehen? Wozu würden Sie jungen Menschen heute raten?

Die Entwicklungsperspektiven nach der Schule sind heute deutlich vielfältiger als das zu meiner Schulzeit der Fall war. Dies gilt zum Beispiel für die Anzahl der Studiengänge und die diesbezüglichen Vertiefungsmöglichkeiten. Entsprechend komplex stellt sich die Situation dar und ist es für Viele sicher eine „Qual der Wahl“. Hinzu kommt die große Dynamik, in der wir uns als Gesellschaft bewegen, so das vermeidlich sichere Berufsoptionen sich schon nach einiger Zeit aufgrund der Veränderungen des Umfeldes als unsicher herausstellen können. Vor diesem Hintergrund würde ich jungen Menschen immer raten, sich an ihren Interessen und Kompetenzen zu orientieren. Nur wenn man wirklich überzeugt ist von dem was man macht und für sich einen Mehrwert in Qualifizierung und später der Arbeit sieht, wird man diese auch gut machen können und eine persönliche Erfüllung und Zufriedenheit finden.

Durch den Tweet der damals 17-jährigen Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen mit behandelt werden sollten, wird die Diskussion um die Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema, bereitet Schule zu wenig auf das Leben vor?

Schule hat sicher den Auftrag, Grundkompetenzen in der Breite zu vermitteln und dies zunächst einmal unabhängig von den persönlichen Neigungen jedes einzelnen/jeder einzelnen. Sie hat aber auch die Aufgabe, in unserer heutigen hektischen Welt noch mehr als früher, auf die Welt, das Leben außerhalb der Schule vorzubereiten. Hierzu gehört die Einbindung von lebenspraktischen Fragen wie die Funktionsweise des Wirtschaftssystems und der sozialen Sicherungssysteme  genauso wie die Auseinandersetzung mit den großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit wie z.B. Digitalisierung und Klimawandel. Hier ist m.E. noch viel Luft nach oben. Dabei sollte dieser Bildungsauftrag nicht einzelnen Fächern überlassen werden, sondern sich in der Breite des Unterrichtes wiederspiegeln.

Die globale Erderwärmung soll deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau gehalten werden, darin ist sich seit dem UN-Klimagipfel in Paris die Weltgemeinschaft einig. Wie aber kann eine effektive, faire und internationale Klimapolitik gestaltet werden, wenn ein Land wie z.B. Brasilien seine Regenwaldabholzungen weiter vorantreibt?

Die Begrenzung des Klimawandels ist eine globale Herausforderung und kann nur dann erfolgreich sein, wenn sich alle Länder daran beteiligen und sich ihrer Verantwortung stellen. Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, der Gestaltung fairer Übergänge (just transition) und der historischen Verantwortung spielen dabei eine große Rolle. Entsprechend ist es folgerichtig, dass die großen Industriestaaten mit ambitionierten Minderungszielen vorangehen und zeigen, wie wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz Hand in Hand gehen können. Ihnen kommt aber auch eine große Bedeutung dabei zu, den sich entwickelnden Regionen dabei zu helfen, nicht-klimaverträgliches Handeln auf ihrem Entwicklungspfad zu vermeiden und direkt auf klimaverträgliche Strukturen zu setzen (leap frogging: Überspringen von auf fossilen Strukturen aufbauenden Entwicklungsstufen der Industrieländer und direkter Übergang zu erneuerbaren Energien). Neben internationalen Fonds können dazu bi- oder multilaterale Energie- und Klimapartnerschaften maßgeblich beitragen. Hinzu kommen muss die Bereitschaft der Industrieländer, Mittel für Anpassungsmaßnahmen und Schadensbehebung bereitzustellen.

Zweifelsohne spielt die ökonomische Steuerung des Verhaltens eine große Rolle, auch und gerade auf der internationalen Ebene. Deutlich mehr als 50 Staaten bzw. Provinzen haben weltweit bisher CO2-Preissysteme eingeführt (also z.B. CO2-Steuer oder CO2-Emissionshandelssysteme), dennoch gibt es immer noch große Unterschiede in der ökonomischen Anreizgestaltung und ist der Weg bis zu einem weltweit einheitlichen CO2-Preissystem noch weit. In der Zwischenzeit kann die Etablierung sogenannter Klimaclubs helfen, auf freiwilliger Basis zwischen Ländern einheitliche Rahmenbedingungen abzustimmen und dafür Vorteile im Handel untereinander zu gewähren.

Das an der Westküste Norwegens betriebene Northern Lights-Projekt nennt sich Carbon Capture an Storage (CCS) und befasst sich mit der Abspaltung und Speicherung von CO2- Emissionen. Die Methode ist nicht unumstritten, Klimaschützer halten sie für die falsche Strategie, andere Experten sehen CCS als unabdingbare Technologie, um die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten. Wie ist Ihre Meinung dazu?

CCS ist weder Teufels- noch Königstechnologie. Schon aufgrund der mit der Technologie verbundenen Kosten aber vor allem aufgrund der mit der Abtrennung, insbesondere aber dem Transport und der Speicherung von CO2 verbundenen Risiken und der fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz, sollte die Anwendung von CCS auf das notwendigste Maß begrenzt werden. Eine Kopplung von CCS an Kraftwerke ist aus diesem Grund sehr kritisch zu sehen, da für eine klimaverträgliche Stromerzeugung hinreichend andere Optionen (wie die erneuerbaren Energien Wind und Sonne) zur Verfügung stehen. CCS ist dagegen eine Option für die sogenannten „nicht vermeidbaren Emissionen“ beispielsweise die prozessbedingten Emissionen in der Zementindustrie oder für die Kompensation von nicht vermeidbaren Emissionen aus der Landwirtschaft.

Der Stellenwert von Umwelt- und Klimaschutz ist in der Bevölkerung in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Maßgeblich mitbeeinflusst wurde das Ganze durch die “Fridays for Future”-Bewegung. Gerade junge Menschen brennen für das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Wie ist Ihre Meinung zu dieser Bewegung und was würden Sie sich vielleicht noch mehr von den vorwiegend jüngeren Menschen wünschen?

Der Einsatz der jungen Generation für den Klimaschutz ist mehr als verständlich, sind wir doch gerade dabei in viele Bereichen die planetaren Grenzen zu überschreiten. Insofern unterstützen wir Fridays for Future und andere gesellschaftliche Bewegungen darin, den Handlungsdruck deutlich zu machen. Wir unterstützen Fridays for Future aber auch darin, sich nicht nur mit der Frage zu beschäftigen, welche Emissionsminderungspfade für den Klimaschutz zentral sind, sondern auch darin konkret zu überlegen wie diese umgesetzt werden können. Mit dieser Zielsetzung haben wir in 2020 eine Studie für und mit Fridays for Future geschrieben, die sehr deutlich macht, in welchen Bereichen Handlungsmöglichkeiten bestehen aber auch wie groß die diesbezüglich zu überwindenden Hemmnisse sind. Um diese Transparenz, das heißt das Wissen um die „dicken Bretter“ die es zu bohren gilt, und den offenen Diskurs darüber mit welchen Instrumente sie „durchbohrt“ werden können und welche Allianzen dafür gebildet werden müssen, muss es zukünftig verstärkt gehen. Die reine Formulierung von Zielen wird nicht mehr ausreichen, um die notwendige Umsetzungsgeschwindigkeit zu erreichen.

Veröffentlicht am 05.07.21

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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