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5 Fragen — 5 Antworten: Mit Reinhard Wiesemann

1. August 2017

Reinhard Wiesemann (1959 in Wuppertal geboren) ist ein deutscher Unternehmer, Mäzen und kreativer Querdenker. So hat er in Essen das Unperfekthaus und das GenerationenKult Haus gegründet. Ende 2014 wurde maßgeblich von ihm die Kreuzeskirche in Essen als Musterprojekt für eine Weiternutzung von Kirchengebäuden initiiert.

Reinhard Wiesemann

Die Frage, was man nach dem Abitur vorhat, nervt nicht nur die Abschlussklassen. Mit der Antwort „Irgendetwas mit ...“ zählen einige Schüler schon zu den Entschlossenen. Direkt ins Studium, eine Ausbildung machen oder  im Ausland erste Erfahrungen sammeln? Den eigenen Interessen folgen oder einen sicheren Weg gehen? Wozu raten Sie jungen Menschen? 

Man sollte im ersten Schritt versuchen, mit dem erfolgreich zu werden, für das man „brennt“, das man wirklich intensiv tun möchte. Wenn das nicht klappt, Ideen, Zeit oder Ressourcen ausgehen, muss man auch tun, was nicht so ganz auf der eigenen Linie liegt. Bis dahin testet man idealerweise mehrere Ansätze möglichst parallel, um allem Zeit geben zu können, aber möglichst nicht zu viel Zeit zu verlieren. Ich habe gleichzeitig mit meinem Elektrotechnik-Studium und meiner Computerfirma angefangen. Nach 3 Jahren hatte ich dann gespürt, dass der Zeitpunkt für die Firma optimal war und dass ich viel Spaß daran hatte. Deshalb hatte ich das Studium ohne Abschluss aufgegeben, statt dessen aber die Firma intensiv und sehr erfolgreich weitergeführt. Wäre die Firma nicht gelaufen, dann hätte ich das Studium beendet. Ich bin zwei Wege parallel gegangen und hab mich erst dann für einen entschieden, als deutlich war, welcher Spaß machte und erfolgreich war.

Durch den Tweet der damals 17-jährigen Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen  mit behandelt werden sollten, wird die Diskussion um die Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema, bereitet Schule zu wenig auf das Leben vor?

Das ist eine niemals endende Diskussion. Musikliebhaber verlangen „ein Instrument für jedes Kind!“, Techniker wollen mehr Naturwissenschaft und Mathematik, historisch interessierte Zeitgenossen bemängeln den Geschichtsunterricht usw.. Da wird immer um eine Balance gerungen werden müssen. Für mich ist eine andere Aufgabe der Schule viel wichtiger: In der Schulzeit werden wir gezwungen, jedes Fach einmal auszuprobieren. Schule ist wie ein „Buffet von Fachbereichen“, und wir werden gezwungen, von jedem „Teller“ mal zu kosten. Eigentlich sollten wir alle am Ende der Schulzeit dann etwas gefunden haben, das uns „schmeckt“. Tatsächlich wissen aber die allermeisten Schüler selbst nach 12-13 Jahren Probieren immer noch nicht, was ihr Ding ist. DARAN müsste Schule arbeiten: Wie kann Schule besser darin werden, die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu entdecken und deutlich zu machen? Sind vielleicht zu viele Lehrer selbst zu lustlos in ihrem Fach und können kein Feuer in den Schülern entfachen?

Mit 18 Jahren haben Sie eine Computertechnik Firma gegründet und erfolgreich weiter entwickelt. Somit hatten Sie das große Glück und konnten aus Ihrem Hobby eine(n) Beruf(ung) machen. Dieses Glück ist leider nicht jedem beschieden. War das der Auslöser dafür, das Unperfekthaus zu gründen, Ihr Glück zu teilen mit  anderen Menschen und ihnen die Chance zu bieten, sich auszuprobieren und zu erkunden, wo ihre Stärken liegen?

Ja! Das Unperfekthaus basiert auf meiner eigenen Erfahrung, als Kind bei meinen Eltern alles mögliche ausprobieren zu können. Ich glaube nicht daran, alles planen zu können, ich glaube auch nicht, dass man durch Auswahlverfahren im Vorhinein herausfinden kann, welche Macher und welche Projekte „erfolgreich“ sein werden. M.E. muss man vieles ausprobieren und dabei so geschickt vorgehen, dass man nicht ruiniert ist, wenn es nicht klappt. Vielleicht klappt erst der 10. Ansatz! Das soll im Unperfekthaus möglich gemacht werden: Ganz viele, auch verrückte Ideen ausprobieren, ohne nennenswerte Kosten zu haben, nebenberuflich, aber mit Rückmeldung durch fremde Besucher. Denn im Unperfekthaus sind alle Projekte öffentlich.

Viele Schülerinnen und Schüler, die die Schule verlassen und sich nicht für ein Studium sondern für eine Ausbildung entscheiden, wissen nicht welcher Ausbildungsberuf der  richtige für sie ist. Auch kennen sie meistens nicht ihre persönlichen Fähigkeiten und besonderen Stärken. Die Schülerpraktika "alter Schule" sind nicht mehr zeitgemäß und bieten hier keine zielführende Unterstützung. Mit dem von Ihnen propagierten "Zirkelpraktikum" schlagen Sie hier einen anderen Weg vor. Können Sie unseren Lesern dies kurz erläutern?

Das ist eine alte Idee von mir, die ich bisher leider nicht realisiert habe. Man müsste mit mehreren Firmen, die verschiedene Anforderungsprofile an ihre Mitarbieter haben, dieses Zirkelpraktikum anbieten: Schüler könnten 2 Tage in einem Beruf arbeiten, der Sorgfalt erfordert, dann 2 Tage woanders, wo Kreativität zentral ist, die nächsten 2 Tage dann vielleicht in einem beruflichen Umfeld, wo handwerkliche Geschicklichkeit wichtig ist, dann vielleicht da, wo es um menschliches Einfühlungsvermögen geht,...  Wir sind halt alle unterschiedlich, und wir müssen uns mehr Mühe geben, herauszufinden, wo genau die persönlichen Fähigkeiten liegen. Das geht nicht mit einem solchen „Blindschuss“, wie es ein einziges Schülerpraktikum in einer Firma darstellt. Das Zirkelpraktikum wäre dafür viel besser geeignet.

Ihr Musterprojekt "Kreuzeskirche in Essen" ist ein Meilenstein für eine innovative Weiternutzung  von Kirchengebäuden. Durch ihre multifunktionale Nutzungskonzeption bietet sie als offene Kirche auch solchen Menschen einen Zugang, die den Bezug zur Kirche bereits verloren haben. Leere Kirchen bzw. von Bistümern bereits zur Schließung frei gegebene Kirchen spiegeln bereits jetzt den kirchlichen Alltag wider. Warum nutzen die Kirchenverantwortlichen nicht Ihr Konzept und adaptieren Ihr Modell?

Das Nutzungsmodell „Kreuzeskirche“ erfordert einen Investor wie mich, der sich darum kümmert, Kirchen ausserhalb der Gottesdienstzeiten anderweitig zu nutzen. Das ist nicht ganz einfach, auch ich komme bisher nicht auf meine Kosten. Wahrscheinlich ist es wie bei allen neuen Konzepten, man braucht immer länger als man dachte, aber letztlich funktioniert es dann auch länger als gedacht. Bei dem Projekt bin ich nach wie vor in der Entwicklungsphase, und ich kann gut verstehen, dass es niemand kopiert, solange dieses erste „Muster“ nicht auch wirtschaftlich erfolgreich ist.

Veröffentlicht am 01.08.17

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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