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5 Fragen — 5 Antworten mit Ronja von Wurmb-Seibel

10. März 2022

Foto: Niklas von Wurmb-Seibel

Ronja von Wurmb-Seibel (1986 in Gräfelfing geboren) ist eine deutsche Journalistin, Filmemacherin und Autorin. Von 2013-2014 lebte und arbeitete sie als Reporterin in Kabul (Afghanistan). In ihrem neuen Buch „Wie wir die Welt sehen“ zeigt sie, warum es sich lohnt, einen gesünderen Umgang mit Nachrichten zu finden und wie es gelingt, die Welt auch im Alltag mit anderen Augen zu sehen. Dieses Buch eignet sich auch hervorragend als Lektüre für den Unterricht.

Die Frage, was man nach der Schule vorhat, nervt nicht nur die Abschlussklassen. Mit der Antwort „Irgendetwas mit …....“ zählen einige Schüler schon zu den Entschlossenen. Den eigenen Interessen folgen oder einen sicheren Weg gehen? Wozu würden Sie jungen Menschen heute raten?

Unbedingt den eigenen Interessen folgen: Mach, was du willst! Ich habe in meinem Berufsleben durchgängig die Erfahrung gemacht, dass ich dann gut, effizient, kreativ arbeite, wenn ich einen Job machen, der mich erfüllt. Der mir Spaß macht und in dem ich Sinn finden kann.

Durch den Tweet der damals 17-jährigen Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen mit behandelt werden sollten, wurde die Diskussion um die Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema, bereitet Schule zu wenig auf das Leben vor?

Zu meiner Schulzeit war das auf jeden Fall so. Nicht nur bei den lebenspraktischen Dingen wie Altersvorsorge oder Kochen – die meiner Meinung dringend notwendig wären (In Spanien gibt es in einigen Schulen zum Beispiel das Schulfach Gefühle). Ich finde, wir lernen auch zu wenig darüber, wie Dinge gut funktionieren. In meinem Geschichtsunterricht habe ich militärische Abläufe des Zweiten Weltkriegs bis ins Detail gelernt. Darüber, wie Widerstand in einer Diktatur funktionieren kann, darüber wie Frieden entstehen kann und welche Bedingungen wir dafür brauchen, habe ich nichts gelernt. 

Seit August letzten Jahres herrschen die Taliban in Afghanistan. Was bedeutet es unter der Herrschaft der Taliban zu leben und wie bewerten Sie das Verhalten der ehemaligen Bundesregierung hinsichtlich der Aufnahme ehemaliger Ortskräfte?

Die Situation in Afghanistan ist momentan katastrophal. Das Leben, wie es war, hat innerhalb kürzester Zeit aufgehört zu existieren. Musik ist verboten, Künstler*innen haben de facto ein Berufsverbot, Frauen dürfen nicht mehr alleine auf die Straße, nicht mehr arbeiten und an den allermeisten Orten nicht mehr studieren. Mädchen dürfen nicht zur Schule gehen. Die wirtschaftliche Lage hat sich drastisch verschlechtert. Mehr als die Hälfte der Menschen leiden unter akutem Hunger. Die ehemalige Bundesregierung hat über Jahre versäumt und blockiert, diejenigen Menschen in Sicherheit zu bringen, die aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit Deutschen gefährdet sind. Ich habe 2012 das erste Mal darüber berichtet, und viele andere auch. Das sind fast zehn Jahre. Das Problem war bekannt. Es wäre möglich gewesen, die betroffenen Menschen rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Politisch war es in der damaligen Regierung nicht erwünscht. Die neue Regierung hat angekündigt, weitere Visa auszustellen für Menschen die aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit Deutschen gefährdet sind. Es ist extrem wichtig, dass sie dieses Versprechen einlösen. Deutschland hat eine Verantwortung für diese Menschen. Ohne sie wäre der deutsche Einsatz in Afghanistan nicht möglich gewesen, keinen einzigen Tag lang.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem negativ besetzte Nachrichten über die unterschiedlichen Kanäle auf uns niederprasseln. Diese Nachrichten zeichnen aber nicht eine vollständige Blaupause unserer Welt, sondern zeigen uns, was nicht funktioniert hat. Sollte vor diesem Hintergrund nicht viel mehr über Problemlösungsmöglichkeiten berichtet und sichtbarer gemacht werden?

Wenn Sie mich fragen: unbedingt. Das ist genau mein Ansatz. In meinem Buch "Wie wir die Welt sehen" beschreibe ich es mit der einfachen Formel: Scheiße plus X. Damit meine ich. Es ist wichtig über Probleme Missstände zu berichten und gleichzeitig zu berichten, wie wir es besser machen können, ein X zu finden, einen ersten Schritt raus aus dem Schlamassel. Herkömmliche Nachrichten zeigen uns beinahe ausschließlich, was schief läuft in der Welt, wir können sie wie einen Fehlerbericht verstehen. Wir sagen, als Sprichwort, aus Fehlern lernt man. Aber wenn wir nur aus Fehlern lernen, dann ist das die denkbar ineffizienteste Art, uns neues Wissen anzueignen. Wir brauchen Gebrauchsanleitungen und Wissen darüber, wie wir es besser machen können.  

Wir Menschen fokussieren häufig auf die negativen Erlebnisse und Vorkommnisse in unserem Umfeld. Negative Nachrichten lösen jedoch bei vielen Menschen Angst, Ohnmacht und Hilflosigkeit aus, verbunden mit dem Gefühl, „eh nichts ausrichten zu können“.  Die ganze Welt wird schlechter wahrgenommen als sie tatsächlich ist.  Das hat auch fatale Auswirkungen für die Gesellschaft, führt es doch dazu, dass Menschen sich zurückziehen, weil sie nicht das Gefühl haben, etwas verändern zu können. Wie kann man dem entgegenwirken?

Wir können das ändern, in dem wir ganz bewusst Ausschau halten nach Nachrichten – und Geschichten im Allgemeinen – die uns nicht nur das Problem erklären, sondern auch zeigen, wie wir es lösen oder verbessern können. Die gute Nachricht ist: Wir müssen nicht erst warten, bis alle Redaktionen neue Nachrichten produzieren. Wir können diese neue Art der Nachrichten finden. Wie das geht, erkläre ich mit vielen konkreten Tipps in meinem Buch.

Veröffentlicht am 10.03.22

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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