5 Fragen — 5 Antworten: Mit Yvonne Gebauer
Yvonne Gebauer (1966 in Köln geboren) ist eine deutsche Politikerin (FDP) und seit einigen Monaten die neue Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen. wissensschule tauschte sich mit ihr über das Schulfach Wirtschaft sowie über das Lernen mit Medien im Unterricht aus.
Die Frage, was man nach dem Abitur vorhat, nervt nicht nur die Abschlussklassen. Mit der Antwort „Irgendetwas mit ...“ zählen einige Schüler schon zu den Entschlossenen. Direkt ins Studium, eine Ausbildung machen oder im Ausland erste Erfahrungen sammeln? Den eigenen Interessen folgen oder einen sicheren Weg gehen? Wozu würden Sie jungen Menschen raten?
Ich würde jungen Menschen immer raten, auf die innere Stimme zu hören und dann die eigenen Möglichkeiten sorgfältig zu prüfen. Es geht doch im Leben darum, einen Beruf zu finden, der zu den eigenen Stärken passt, Freude bereitet und ein Auskommen ermöglicht. Junge Menschen sollten heute aber auch verstehen, dass der Eintritt in den Beruf der Beginn einer langen Entwicklung ist. Es geht darum, sich weiter zu entwickeln, lebenslang zu lernen und offen für Neues zu bleiben.
Eines möchte ich in diesem Zusammenhang aber noch ansprechen: In letzter Zeit wird viel über einen Akademisierungswahn gesprochen. Es muss aber nicht immer das Studium sein. Berufliche und akademische Bildung sind gleichwertig. Wichtig ist, dass jede und jeder in sich hineinhorcht und sich fragt, was ist für mich der richtige Weg?
Durch den Tweet der damals 17-jährigen Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen mit behandelt werden sollten, wird die Diskussion um die Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema, bereitet Schule zu wenig auf das Leben vor?
Ja, hier können wir noch besser werden. Alltagsthemen wie zum Beispiel Versicherungen, Verträge, Miete, Geld gehören in jeder Schule auf den Stundenplan. Junge Menschen müssen befähigt werden, in einer immer komplexeren Welt selbstbestimmt ihren eigenen Weg zu gehen. Dazu gehört auch ein erfolgreicher Berufseinstieg. Deshalb brauchen wir mehr ökonomische Bildung für unsere Schülerinnen und Schüler.
In ihrem "Koalitionsvertrag für NRW 2017-2022" haben CDU und FDP ihre Absicht bekundet, an allen weiterführenden Schulen das Schulfach Wirtschaft zu etablieren, in dem unter anderem Kenntnisse unserer Wirtschaftsordnung sowie Aspekte der Verbraucherbildung vermittelt werden sollen. Was wird uns hier wann konkret erwarten?
An allen weiterführenden allgemein bildenden Schulen wollen wir die ökonomische Bildung stärken. Dabei werden wir auf bestehende Ansätze wie zum Beispiel den Schulversuch „Wirtschaft an Realschulen“ zurückgreifen und auch Expertenrat von außen einholen. Klar ist, dass es hier
nicht nur um theoretische Grundlagen der Wirtschaftsordnung geht, sondern auch um eine lebenspraktische ökonomische Grundbildung. Damit wollen wir jungen Menschen den Start ins Berufsleben erleichtern, denn ökonomische Kompetenzen gehören zur DNA unserer Gesellschaft. In den kommenden Monaten wird eine Arbeitsplanung mit konkretem Zeitplan erstellt.
Digitaler Unterricht, Inklusion, Rückkehr zu G9, bessere Personalausstattung und weniger Unterrichtsausfall, an und in den Schulen gibt es gerade so einige Baustellen zu lösen. Wie sehen dazu die jeweiligen Lösungsansätze aus und mit welchen Meilensteinen muss hier gerechnet werden?
Da sprechen Sie die großen Baustellen, die ich von der Vorgängerregierung übernommen habe, in einer einzigen Frage an. Ich will versuchen, es kurz und knapp zu beantworten. Bei allen Themen gehen wir Schritt für Schritt voran, um die Probleme zu lösen.
Bei der Rückkehr zu G9 haben wir die Termine festgezurrt. Die Umstellung erfolgt mit Beginn des Schuljahres 2019/20 für die Jahrgangsstufen fünf und sechs. Die Zeit bis dahin benötigen wir zur Vorbereitung, für ein sorgfältiges Gesetzgebungsverfahren und den Dialog mit Beteiligten. Wie versprochen sollen Schulen, die mit dem achtjährigen Bildungsgang gute Erfahrungen gemacht haben, aber auch bei G8 bleiben können.
Bei der Inklusion habe ich gleich nach Regierungsantritt in einem ersten Schritt die Mindestgrößenverordnung für die Förderschulen außer Kraft gesetzt, sodass die Kommunen in Nordrhein-Westfalen auch kleinere Förderschulstandorte erhalten können. Die Landesregierung steht zur Inklusion. Aber zukünftig muss die Qualität das Tempo bestimmen, nicht die Inklusionsquote. Ich möchte die Inklusion in geordnete Bahnen lenken. Deshalb werden wir eine Bestandsaufnahme der schulischen Inklusion vor Ort vornehmen und auf dieser Grundlage dann ein fundiertes Konzept für die weitere Umsetzung vorlegen. Wir werden die vorhandene Ressourcen stärker bündeln und somit für mehr Qualität sorgen.
Beim Thema Personalausstattung ist unser Ziel, die Lehrerversorgung der Schulen spürbar zu verbessern. Aktuell ist die Situation in der Grundschule besonders Besorgnis erregend. Deshalb habe ich noch vor Beginn des neuen Schuljahres erste kurzfristig wirkende Maßnahmen ergriffen, um den akuten Lehrermangel dort zu verringern. Dazu gehören die weitere Öffnung für den Seiteneinstieg und die Einstellung von Lehrerinnen und Lehrer mit einer Lehramtsbefähigung für weiterführende Schulen. Zudem ist für nächstes Jahr eine breit angelegt Werbekampagne für den Lehrerberuf geplant.
Sich die Welt erschließen und selbstbestimmt handeln – dazu gehört heute auch die souveräne Nutzung digitaler Medien. Digitale Kompetenzen sind damit eine Kulturtechnik wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Kinder und Jugendliche müssen diese Kompetenzen unabhängig von Herkunft und sozialem Status systematisch erwerben können. Daher müssen Konzepte für das Lernen über Medien und das Lernen mit Medien fest im Unterricht – möglichst in allen Fächern – verankert werden. Wie weit teilen Sie diese Ansicht und was ist hier konkret geplant?
Die neue Landesregierung will die Schulen in Nordrhein-Westfalen fit machen für die Digitalisierung, denn sie bietet vielfältige Chancen, um das Lernen zu verbessern. Dafür brauchen wir hervorragend ausgestatte Schulen und bestmöglich ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Die Koalitionspartner haben daher beschlossen, für eine bessere Mittelausstattung für moderne und digitale Schulen zu sorgen. Wichtig ist aber auch, dass der Bund seine Zusagen aus dem Digitalpakt in Höhe von fünf Milliarden Euro einhält.
Ich möchte aber auch betonen, dass digitale Medien kein Selbstzweck, sondern Werkzeuge sind, die die pädagogischen Prozesse des Lehrens und Lernens unterstützen sollen. Sie können im Besonderen das individualisierte Lernen verstärken und zu einem besseren Unterricht beitragen. Zudem können sie die Zusammenarbeit von Lehrkräften entscheidend erleichtern.
In all diesen Bereichen gibt es bereits gute Anknüpfungspunkte. Ich will einige Beispiele nennen: Mit dem Medienpass NRW können Schülerinnen und Schüler ihre in der Schule erworbenen digitalen Kompetenzen dokumentieren. Seit Beginn des Schuljahres 2015/16 nehmen
Grundschulen an dem Projekt „Informatik an Grundschulen“ teil und erproben Informatikmodule für den Sachkundeunterricht. Das Schulministerium unterstützt die Entwicklung digitaler Schulbücher und erprobt zwei Prototypen. Das „mBook NRW“ für den Geschichtsunterricht und das „BioBook NRW“ für den Biologieunterricht. Außerdem hat die Vermittlung von Medienkompetenz mittlerweile einen festen Platz im Vorbereitungsdienst und ist ab 2019 prüfungsrelevant. Als nächstes werden wir digitale Schlüsselkompetenzen Schritt für Schritt in allen Lehrplänen verankern. Und die Schulen in Nordrhein-Westfalen sollen ein pädagogisches Medienkonzept erstellen als Voraussetzung für die technische Infrastruktur. Die Grundschulen haben dafür bis 2019 Zeit, die weiterführenden Schulen bis 2020. Wir sind also auf dem Weg und werden ihn konsequent weiter gehen und an den Themen intensiv arbeiten.
Abschließend möchte ich in diesem Zusammenhang aber noch einen Punkt ansprechen, der mir auch besonders am Herzen liegt. Wir müssen den Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen, vor allem aber der Rechtschreibung, wieder mehr Beachtung schenken. Digitalisierung ist wichtig. Die Kulturtechniken sind es ebenso.