Abi & JETZT?! #20 Mehr fürs praktische Leben lernen
In unserer Themenreihe abi & JETZT?! zeigt wissensschule.de, wie viele Möglichkeiten man nach dem Abi hat. Wir wollen zeigen: Studium an Uni & FH sind zwei Wege, es gibt aber noch viele andere Möglichkeiten. Heute tauscht sich wissensschule mit Miriam Wagnitz (Foto) über ihren Entscheidungsprozess sowie ihre schulischen Erfahrungen aus.
Bevor Sie in die 8. Klasse zur Gesamtschule wechselten, besuchten Sie eine Förderschule. Welche Erfahrungen haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen und was können Sie anderen Jugendlichen mit auf den Weg geben, die sich vielleicht in einer ähnlichen Situation befinden?
Ich denke, dass man generell nie aufgeben sollte, egal was man für eine Vorgeschichte hat. Wenn man etwas wirklich möchte, dann kann man das auch schaffen, wenn man einen starken Willen hat. Außerdem sollte man sich nicht immer alles einreden lassen und eigene Erfahrungen machen, denn die meisten können mehr, als ihnen zugetraut wird. Auch habe ich in der Zeit an der Förderschule gelernt, dass man sich auf wahre Freunde immer verlassen kann, egal was passiert und dass man gute Freundschaften wie einen Schatz behüten sollte.
Durch den Tweet der damals 17-jährigen Kölner Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen mit behandelt werden sollten, wird die Diskussion um die zeitgemäße Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie lebensnah ist aus Ihrer Sicht heute noch der Unterricht?
Ich denke schon, dass man vieles lernt was wichtig ist, man sollte ein gewisses Basiswissen in jedem Fach versuchen zu erreichen. Dennoch fehlt es an vielen Ecken auch an praktischen Basiswissen. Man lernt zu wenig, was man fürs praktische Leben braucht. Ich kann es verstehen, dass es Schüler gibt, die sagen, dass die eine Analyse in vier verschiedenen Sprachen schreiben können, aber keine Steuererklärung. Daher würde ich persönlich auch vorschlagen, derartige Themen in passende Fächer mit anzubieten. So passen die Themen „Wie schreibe ich eine Steuererklärung/ Wie mache ich eine Überweisung?“ meiner Meinung nach gut in die Fächer Arbeitslehre-Wirtschaft mit rein. Pädagogik und Philosophie waren die wenigen Fächer, wo man auch was fürs Leben nach der Schule lernen konnte, zumindest in meinem Fall.
Es ist offenbar gerade gesellschaftlicher Konsens, dass man erst Abitur und danach studieren muss, um etwas zu werden. Wie sieht Ihre Antwort auf diese Frage aus?
Ich denke, dass das so nicht stimmt. Ich kenne viele Leute, die nach ihrem Zentral- oder Fachabitur eine Ausbildung angefangen haben und genau so glücklich und erfolgreich sind, wie diejenigen, die ein Studium angefangen haben. Außerdem gibt es viele Berufe, die man sowohl als Ausbildung oder innerhalb eines Studiums ausüben kann. Ein Beispiel ist der Beruf der Erzieherin/Erziehers. Desweiteren sind viele soziale Berufe Ausbildungsberufe und in was für einer Welt würden wir leben, wenn keiner diese Berufe machen würde? Ich persönlich finde, dass Leute mit sozialen Berufen die wahren „Helden des Alltags“ sind.
Im Vergleich zu früheren Generationen habt ihr heute die Möglichkeit euch ausführlich und intensiv über angebotene Studiengänge bzw. Ausbildungsberufe sowie Freiwilligendienste zu informieren. Fühlt man sich bei der Informationsmenge da nicht auch leicht überfordert?
Um es so zu sagen, es gibt dadurch, dass wir ein großes Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten haben mehr Entscheidungsspielräume, aber eben auch mehr Entscheidungszwänge. Jeder Jugendliche selbst, muss für sich entscheiden, welcher Beruf ihm Spaß macht und was er sich vorstellen kann, egal ob dies eine Ausbildung ist, ein Studium oder ein FSJ. Ich persönlich war nicht überfordert, da ich viele Praktika gemacht habe und mich für den sozialen Bereich, der mir Spaß macht, entschieden habe. Ich kann jedem Jugendlichen empfehlen so unterschiedliche Praktika wie möglich zu machen und eventuell auch ein FSJ oder einen Bundesfreiwilligendienst, um Erfahrungen zu sammeln.
Marilyn Manson hat einmal gesagt " A lot of people don´t want to make their own decisions. They are too scared. It´s much easier to be told what to do". Trifft diese Aussage auch und besonders auf Ihre Generation zu oder sind diejenigen, die einen nicht ganz so geradlinigen Weg gegangen sind wie Sie, entscheidungsfreudiger als jene, bei denen alles nach "Plan" verlief?
Zu erstmal, danke für dieses Zitat von Marilyn Manson, ich bin ein riesiger Marilyn Manson Fan und habe dieses Zitat auch für meine Seite in meinem Abibuch benutzt. Ich persönlich denke, dass es viele Instanzen gibt, die einem vorschreiben wollen, was man tut bzw. was oder wer man mal werden soll. Viele fügen sich diesem „System“, weil sie Angst haben, dass die eigenen Entscheidungen nicht toleriert oder akzeptiert werden oder weil sie davor Angst haben, nicht gut genug für andere zu sein, wenn sie einen eigenen Weg gehen. Das trifft natürlich nicht auf alle zu, aber es gibt da doch den ein oder anderen, der sich deswegen z.B. für einen Beruf entscheidet, der ihm eigentlich keinen Spaß macht bzw. in dem sich die betroffene Person nicht wohl fühlt. Ob Schüler, die einen nicht gradlinigen Weg gegangen sind entscheidungsfreudiger sind, kann ich Ihnen nicht genau sagen. Ich denke, dass kommt auf die Persönlichkeit jedes einzelnen an.