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Anna Thommen: 5 Fragen — 5 Antworten

1. Juli 2015

Anna Thommen-interview

Anna Thommen (1980 in Arlesheim, Schweiz geboren) ist eine schweizerische Regisseurin. Für ihren Dokumentarfilm "Neuland" über Schüler einer Basler Integrationsklasse hat sie bereits mehrere Preise abgeräumt. wissensschule tauschte sich mit ihr über Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer, den großen Erfolg ihres Films sowie einer stärkeren Verankerung des Themas Migration im Unterricht aus.

Nahezu täglich erreichen uns neue Schreckensnachrichten von Flüchtlingsdramen im Mittelmeer. Die gesamte EU hat die moralische und humanitäre Verpflichtung hier zu handeln. Warum passiert hier so wenig, haben die Menschen Angst vor Migranten und leben lieber unter sich?

Das ist eine Frage, die ich leider nicht so simpel beantworten kann. Die Gründe für das Zögern und Abwägen sind so vielschichtig und komplex. Ich denke sicher, dass Angst einer der Hauptgründe ist, dass so wenig passiert. Aber die Ursachen für die Angst sind sehr subjektiv. Man kann auch sich selbst an der Nase nehmen: Warum lasse ich zum Beispiel nicht einfach Flüchtlinge bei uns Zuhause wohnen? Obwohl ich gerne vorbehaltlos wäre, kommen trotzdem sofort Vorbehalte, wie: Was ist wenn das Zusammenleben schwierig wird? Haben wir als Familie genug Platz? Können wir es uns finanziell leisten? Diese Fragen stellen sich die Menschen im Kleinen wie im Grossen. Diese Fragen stehen natürlich in eine grossen ethischen Konflikt zu den anderen Fragen: Wie können wir gewissenlos weiterleben wenn wir von all diesen humanitären Katastrophen wissen, die rund um uns herum passieren? Sind wir da nicht verpflichtet einen Teil unseres Wohlstandes abzugeben und zu teilen?

Die Komlexität dieses Dilemmas führt sicher dazu, dass alles sehr langsam vonstatten geht obwohl schnelles Handeln gefragt wäre. Ich persönlich denke aber, dass es in solch katastophalen Zuständen wie in der jetzigen Zeit kein Wenn und Aber geben sollte, sondern die erste Priorität sollte sein Menschenleben zu retten.

Ihr Dokumentationsfilm "Neuland" hat in der Schweiz für Furore gesorgt und mehrere Preise abgeräumt. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg, haben Sie hier den Zeitgeist getroffen was z.B. Einwanderungsquoten auch in der Schweiz betrifft?

Migration war und ist eines der wichtigsten und dringlichsten Themen unserer Zeit. Für die Menschen ist es wichtig ausser den scheinbar objektiv erzählten Nachrichten und der politischen Diskussion noch einen anderen Zugang zum Thema zu finden. Der Film „Neuland“ war für viele Menschen in der Schweiz eine Erleichterung, weil es da direkt um einzelne Menschen geht, die einem ans Herz wachsen und die Diskussion in eine verständnisvollere Richtung treiben. Viele waren froh, dass mal eine Flüchtlingsgeschichte mit Hoffnung am Horizont erzählt wird. Und nicht zu vergessen: Neben dem Bild der Schweiz, das rigorose Einwanderungsquoten verlangt und Minarettverbote erteilt, entstand noch ein anderes Bild: Das einer humanistischen Schweiz, die Institutionen wie diese Schule und einen Lehrer wie Herr Zingg hervorbringt, der sich mit grossem Engagement und Herz um die Neuankömmlinge kümmert. Das gibt den Menschen wieder Mut.

Sie selber haben einige Jahre als Primarlehrerin in der Schweiz gearbeitet. Worin unterscheidet sich das Schweizer Schulsystem vom Deutschen?

Das kann ich leider nicht beantworten da ich A. Das deutsche Schulsystem zu wenig kenne und B. meine Primarlehrerinnenzeit schon mehr als 10 Jahre zurückliegt.

Wie sollen Ihres Erachtens nach junge Menschen an das Thema Migration herangeführt werden und soll man diese Problematik im Unterricht stärker verankern?

Am wichtigsten finde ich, dass nebst Zahlen und Fakten auch persönliche Erlebnisse mit Migranten Platz finden. Da gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie klassenübergreifende Projektwochen mit Integrationsklassen, Patenschaften zwischen Schweizer SchülerInnen und jungen Migranten, Kochkurse..und und und. Der gegenseitige Austausch fördert das gegenseitige Verstehen und baut Angst ab vor dem Fremden.

Haben wir uns nicht alle einen Pädagogen wie Herrn Zingg aus Ihrem Film "Neuland" gewünscht, der durchaus streng, aber mit großem Engagement und zielgerichtet junge Menschen beim Einstieg in ihr erwachsenes Leben begleitet?

Sicher! Der Wert eines solchen Wegbereiters in einer Zeit des Lebens, wo man auch ohne Land-und Kulturwechsel zutiefst verunsichert ist, ist unermesslich.

Veröffentlicht am 01.07.15

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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