Lerntheken als Methode des Mathematikunterrichts
In meinem Unterricht arbeite ich sehr intensiv mit Lerntheken. Im Fach Mathematik macht diese Methode etwa 90% der Unterrichtszeit aus.
Am Anfang halte ich zwei bis drei normale Mathematikstunden in denen ich das Thema einführe. Also z.B. durch ein kleines Spiel werden Brüche eingeführt (ich verteile drei Lakritzschnecken auf 4 Leute etc.). Es werden kleine Übungen zu Brüchen gemacht, evtl. schon gezeigt, dass 1/2 = 2/4 ist. Diese zwei bis drei Stunden reißen das Thema nur an. Einige Schüler verstehen schon was, viele hören es, nicken es ab und vergessen es wieder. Diese Einführung soll tatsächlich nicht mehr sein, als das: Eine Einführung.
In den nächsten drei bis vier Wochen beginnt die Arbeitsphase mit der Lerntheke. Bei dieser Unterrichtsmethode werden einzelne Aufgaben auf Karteikarten geklebt/gedruckt/laminiert, oft mit der Lösung auf der Rückseite und in der Klasse an einer Stelle gesammelt, z.B. auf der Fensterbank. In freier Arbeit können die Schüler sich dann die Karten eigenständig heraussuchen und bearbeiten. Das Besondere dabei: Die Karten sind nach Niveau sortiert um sowohl für die leistungsschwachen wie auch die leistungsstarken Schüler passende Aufgaben zu haben. Deutlich wird dies durch die Farbe: Grün entspricht einfachen Grundaufgaben, gelb zieht im Schwierigkeitsgrad schon an und rote Karten sind freiwillig und für die absoluten Profis unter den Schülern (sog. Begabtenförderung). Als Lehrer habe ich nun den Freiraum, mich nur mit den Kindern zu beschäftigen, die gerade meine Hilfe brauchen. Nur weil Max eine Frage hat, muss Moritz ja nicht stumm dasitzen und mir zuhören. Jeder Schüler kann selbst entscheiden, ob er noch weiter einfache Aufgaben üben möchte, oder sich schon mit den schwierigen Karten auseinandersetzen will.
Über ein Hilfesystem lernen die Kinder, sich gegenseitig die Stationen zu erklären. Später folgt eine Phase der Sicherung: Es gibt eine „Pflichtstation des Tages“, die alle Schüler machen bzw. sich nochmal anschauen müssen. Diese Pflichtstation wird in den letzten zehn Minuten besprochen, damit ich sichergehen kann, dass alle Schüler die richtigen Ergebnisse im Heft stehen haben. Und ganz am Schluss der Reihe gibt es nochmal ein bis zwei Stunden, in denen nur gesichert und gezielt geübt wird und dann wird die Arbeit geschrieben und alles beginnt wieder von vorne.
Auf Außenstehende beeindruckend wirkt die „Schüleraktivität“ (also der Grad an nicht-schlafenden Kindern), die bei nahezu 100% liegt. Für die Schüler sind die 20 Stationen eine zu bewältigende (und damit motivierende) Aufgabe. Jedes Kind kann auf seinem eigenen Schwierigkeitsniveau arbeiten und weil die Lösungen auf den Karten stehen, lernen sie eigenverantwortlich mit dem Stoffinhalt umzugehen. Während die Kinder arbeiten, habe ich Zeit, mich um einzelne Fragen und Probleme zu kümmern. Nicht selten sind die Schüler dankbar, wenn ich sie nicht mit frontalem Unterricht störe.
Die SuS kommen mit dieser Art des Übens sehr gut klar: Sie haben Erfolgserlebnisse, wenn sie eine ganze Karte geschafft haben und sie werden nicht durch zig Texte, Bilder und Infos abgelenkt.
Über den Autor | Jan-Martin Klinge arbeitet an der Gesamtschule Eiserfeld und hat die Fächer Mathematik, Physik und Arbeitslehre Technik studiert. Er hat ein Buch über die Arbeit mit Lerntheken geschrieben, in dem das Thema ausführlich behandelt wird.