Mathematik und Chemie auf Lehramt – mein Erfahrungsbericht
"Bleiben Sie dran, es lohnt sich." -- der wohl am häufigsten verwendete Satz in den ersten Semestern meines Studiums. Ich heiße Maximilian Kehrer, bin 20 Jahre alt, studiere im fünften Semester Mathematik und Chemie auf Lehramt an der Universität Stuttgart und möchte euch von meinen Erfahrungen der ersten Semester erzählen. Aller Anfang ist schwer. Ich denke, dass alle Studiengänge schwierig sind, weil sie Studiengänge sind. Man muss sich selbst organisieren, es wird nicht mehr alles hinterhergetragen. Wenn man eine Vorlesung verpasst, hat man Pech gehabt und muss sie nachholen.
Schwierig sind alle Studiengänge, keine Frage, aber ich denke, dass meiner einer der härtesten ist. Einerseits ist es das Lehramt; es passiert häufig, dass die Vorlesungen sich überschneiden, man muss viele Sachen beachten und aufpassen, dass einem nichts durch die Lappen geht. Prüfungsanmeldungen, Prüfungsleistungen in drei unterschiedlichen Fachbereichen, Abgaben zu unterschiedlichen Zeiten, Labore, Essays und so weiter. Dazu kommt, dass Chemie und vor allem Mathe sehr lernaufwendig sind, auch wenn man es nicht glauben mag. Man wird in der Chemie da abgeholt, wo man aufgehört hat. Die gelernten Konzepte werden zwar teilweise verworfen und detaillierter ausgeführt, aber es besteht ein Anschluss an das Abitur und das bereits gelernte. Der Zeitaufwand hier liegt in den Laboren. In Mathe ist es anders. Das Denken wird komplett auf den Kopf gestellt, Rechnen muss man meist selbst und nur zur Übung, denn der Fokus liegt auf allgemeinen Aussagen und vor allem deren Beweise. Der erste Satz meiner Professorin der Linearen Algebra I war "Vergessen Sie alles, was Sie bisher gelernt haben. Sie wissen ja nicht einmal, ob es überhaupt stimmt." Man fängt von vorne an, natürliche Zahlen, ganze Zahlen, Division mit Rest. Die Herangehensweise ist gänzlich anders und es dauert bei den meisten einige Zeit, sich an diese Denkweise zu gewöhnen und sie zu beherrschen. Es braucht also eine gewisse Disziplin, um dieses Studium durchzuhalten.
Allerdings hilft da doch der Satz "Bleiben Sie dran, es lohnt sich." Es mag in gewisser Weise dumm klingen, aber es lohnt sich auf jeden Fall zumindest ein Semester zu studieren, selbst wenn man danach abbricht. Es ist eine wahnsinnig spannende Erfahrung, man lernt Dinge, die im weiteren Lebensverlauf trotzdem irgendwann hilfreich sein können und vor allen Dingen lernt man viele neue Leute kennen, die genau diesen Satz predigen, egal ob Dozierende oder Studierende höherer Semester.
Viele fragen sich auch nach kurzer Zeit, warum man so vieles überhaupt lernen muss, weil man rein theoretisch nach dem Abitur alles weiß, was man unterrichten können sollte. Ich denke, dass das Studium einen riesigen Eignungstest darstellt. Der Anfang ist sehr theorielastig, kaum Bildungswissenschaften. Einerseits benötigt man ein tieferes Verständnis für die Fächer, um sie auch nach bestem Wissen und Gewissen unterrichten zu können, denn nur so kann man tiefer gehende Fragen der Schüler*innen beantworten und es wird immer einen Schüler oder eine Schülerin pro Klasse geben, die nicht genug wissen können, vor allem in Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und schon für die wenigen lohnt es sich, denn sie sehen sich dann motiviert mehr zu lernen und finden mehr Freude am Fach. Andererseits testet ein anspruchsvolles Studium das Durchhaltevermögen, von dem Lehrer*innen nie genug haben können. Es gibt immer schwierige Situationen zu bewältigen und ich finde, dass man als Lehrer*in auch abwechslungsreichen Unterricht gestalten muss und dafür bedarf es einer gewissen Kreativität und eines Durchhaltevermögens, das durch das Studium aufgebaut wird, denn man lernt nicht so schnell aufzugeben. Außerdem sind die Menschen, die man im Studium kennenlernt doch sehr prägend. Auf banale Weise kann man so einfach nur gute Freunde finden, aber auch andere Aspekte spielen eine Rolle. Man lernt verschiedene Lerntypen kennen, versucht sich gegenseitig den Stoff zu erklären und trainiert alles, was man als Lehrer*in braucht.
Die Pädagogik ist nochmal ein ganz anderes Thema. Man ist nicht sehr nahe an der Praxis, bis auf zwei Praktika wird alles theoretisch gehalten und man wünscht sich doch mehr Nähe an den späteren Beruf. Das kommt leider erst im Referendariat. Viel Auswendiglernerei um danach eigentlich alles wieder zu vergessen und im Bachelor of Arts sind auch nur 10% des Studiums den Bildungswissenschaften gewidmet, erst im Master wird es mehr. Der Aufwand ist allerdings nicht zu unterschätzen, er dient der Distanzierung vom Schülerdasein, man geht als Schüler*in aus der Schule und soll nicht als solche*r wieder zrückkommen, sondern als "Respektsperson".
Genau deswegen schätze ich den Satz "Bleiben Sie dran, es lohnt sich", denn wenn man sich diesen Satz zu Herzen nimmt kann man ein Studium durchhalten oder zumindest guten Gewissens sagen, dass man es versucht hat und die Zeit genossen hat. Mein Tipp an euch: Probiert es aus, aber nicht nur für zwei Wochen, sondern ein ganzes Semester. Es lohnt sich! Der Arbeitsaufwand ist groß, aber man gewöhnt sich dran. Außerdem ist ein Studium nicht für Einzelpersonen ausgelegt, man kann und soll zusammenarbeiten und Kontakte knüpfen, das einzige was man alleine schaffen muss sind die meisten bewerteten Abgaben und Prüfungen. Ziemlich oft wird den Lehramtsstudierenden auch die fachliche Kompetenz abgesprochen. Einerseits hat das seine Gründe, denn man hat nicht nur ein Fach sondern drei, hört also weniger Fachvorlesungen wie beispielsweise Studierende des Bachelor of Science. Aber es sind fast immer die gleichen Vorlesungen, nur manchmal etwas abgespeckt, deswegen sollte man sich davon nicht beirren lassen.