Roboterexperten bauen Einwegroboter für Erkundungsfahrten in brenzligen Situationen
Der Einwegroboter kann große und oft teure andere Robotertypen unterstützen und vor Verlust schützen. Gesteuert werden er und seine Kameraden intuitiv über Werkzeuge aus dem Elektronikbaukasten.
Die Entwickler kommen aus St. Augustin und Bottrop, beide arbeiten in Gelsenkirchen. Auf die Idee kamen die Informatiker durch ihre Arbeit an großen, teuren Rettungsrobotern im Rahmen des EU-Projekts NIFTi: Einen solchen Roboter verliert man ungern, warum ihn also nicht mit Einwegrobotern unterstützen, fragten sich die Tüftler.
Was keiner will und doch passiert: ein Brand im Straßentunnel, eine Explosion in der Chemiefabrik, ein Unglück im Stahlwerk. „Dann steht man vor einer Situation, in die man Menschen nicht hineinschicken will, die Helfer haben aber noch gar keinen Überblick, was wie wo und wann möglichst rasch zu tun ist“, erklärt Prof. Dr. Hartmut Surmann (48) aus St. Augustin die Ausgangssituation für eine Roboterentwicklung, die er gemeinsam mit Masterstudent Christopher Eulering (25) aus Bottrop in den letzten Wochen und Monaten an der Fachhochschule Gelsenkirchen im Fachbereich Informatik ausgetüftelt und gebaut hat. Ihr „Einwegroboter“ ersetzt dem Menschen die Augen und bildet gleichzeitig mit ähnlichen weiteren Robotern ein eigenes Fernmeldesystem. „Im Katastrophenfall sind nämlich die bestehenden Kommunikationsnetze, über die viele andere Roboter ihre Daten sonst weitergeben, nicht mehr verfügbar. Das hat man bei dem Atomkraftwerksunglück in Fukushima gesehen“, beschreibt Surmann ihren Lösungsansatz.
Als erstes benötigten die beiden einen preiswerten, mobilen Untersatz. Den fanden sie in den beliebten und weltweit verbreiteten Modellautos, die sonst im wesentlichen zum Spaß ferngelenkt durch Gärten und über am Wochenende verwaiste Groß-Parkplätze fegen. Statt der Joystick-Steuerung haben sie jedoch ein großes Lenkrad mit zwei Pedalen für vorwärts und rückwärts an das System gehängt. Das Chassis brauchten sie auch nicht, sondern haben das Modellauto technisch entkernt und stattdessen eine selbst programmierte Mikrocontroller-Platine eingebaut. Eine Kamera ist das Auge des Roboters und überträgt Bilder auf einen Laptop-Bildschirm. Außerdem bekam das Auto noch eine leistungsstarke Router-Antenne, die Anmeldepunkt, Sende- und Empfangsstation ist. Wenn mehrere solcher Einwegroboter mit Router-Antenne losrollen, bilden sie technisch gesehen gemeinsam ein so genanntes „Mesh-Netz“, ein Netz, das sich aus dem Augenblick heraus selbst vermascht. Auf diese Weise werden Informationen netzgestützt weitergegeben. Und wenn ein Knoten ausfällt, wird er von anderen ersetzt. Je mehr Einwegroboter unterwegs sind, umso sicherer arbeitet das Netz. Die von Surmann und Eulering programmierte Platine steuert auch weitere Standard-Modellautos mit eingebauter billiger PWM-Steuerung (Pulsweitenmodulation), sodass diese preiswert das Netz verdichten können. Zudem können sie die Geländegängigkeit verbessern. Surmann: „Die Modellautos gibt es im Technik-Spielzeugladen nämlich auch als Monster-Buggy oder als Kettenfahrzeug und sogar als kleine Panzer, die mit geringen Änderungen rauen Umweltbedingungen eine Zeit lang trotzen.“ Kommen wir zur Kasse: das Modellauto, die Kamera, eine Platine, die Antenne, macht zusammen etwa 500 Euro. „Das ist absolut aus dem Niedrigpreissektor für Roboter“, so Surmann.
Damit hat der kleine Einwegroboter alles, was er für die Erkundung eines Katastrophenfalls braucht. Nur eines hat er nicht und bekommt er auch nicht: einen Namen. „Mit einem Namen würde ihn der steuernde Mensch zu schnell als eigenes Wesen empfinden“, gibt Christopher Eulering zu bedenken, „und wer schickt ihn dann ins Feuer?“