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5 Fragen — 5 Antworten: „G8/G9 - ein Diskurs“

15. Februar 2017

Katt_16 (2)Seit mehr als zehn Jahren gibt es das G8 nun schon, das verkürzte Abitur in 12 statt bisher 13 Schuljahren. Jetzt treten einige der Bundesländer (unter anderem auch NRW) wieder auf die Bremse, um entweder  zu G9 zurück zu kehren oder aber beide Formen anzubieten. Für oder wider G8 bzw. G9 oder Wahlmöglichkeiten an den Schulen? Was ist der richtige Weg? Dies möchten wir in unserer neuen Reihe "G8/G9 - ein Diskurs" thematisieren und Sie/Euch einladen, sich daran zu beteiligen. Heute tauscht sich wissensschule.de mit Dr. Thorsten Kattelans aus. Er ist Oberstufenkoordinator am Collegium Augustinianum Gaesdonck

 

Die Diskussion um das Abitur nach 12 bzw. 13 Jahren gleicht einer "never ending story". Führt dies nicht in letzter Konsequenz einmal mehr zu einer weiteren Verunsicherung der Lehrer-, Schüler- und Elternschaft?

Nachvollziehbarerweise führt eine solch lange Diskussion zu Verunsicherungen.

Wir haben an unserer Schule allerdings bereits im September 2010 die Möglichkeit der Veränderung genutzt, als das Schulministerium kurzzeitig den Weg zu einem sog. Schulversuch geöffnet hat. Auf Basis unserer Erfahrungen und Evaluationen aus dem G8- und G9-System haben wir das „Gaesdoncker Modell“ entwickelt, und den Antrag an das Schulministerium gestellt, dieses anbieten zu dürfen. Neben den Mitarbeitern in unserem Gymnasium konnten wir bei der Evaluation und Konzeption auch auf die Erfahrungen unserer Pädagogen aus unserem angeschlossenen Internat zurückgreifen, wodurch wir noch umfassender analysieren konnten.

Wir bieten unseren Schülerinnen und Schülern nun bereits seit 2011 dieses Gaesdoncker Modell an und konnten durchweg positive Erfahrungen sammeln. Insgesamt haben wir für uns diese „never ending story“ bereits rechtzeitig beenden können, denn bei uns starten alle SchülerInnen grundsätzlich mit G9.

Die Unterstützung für das achtjährige Gymnasium in NRW schwindet weiter. In einer Umfrage der Landeselternschaft der Gymnasien sprechen sich fast 80 % für eine neunjährige Gymnasialzeit aus. Was sind hier die Gründe für diese Entwicklung?

Aus meiner Sicht wird immer mehr Personen und insbesondere auch den Eltern bewusst, dass sich Kinder nur zu Persönlichkeiten entwickeln können, wenn man ihnen hierfür eine angemessene Zeit zur Verfügung stellt. Am Ende der Schulzeit haben Schüler und Eltern wegweisende Entscheidung zu treffen, die die jungen Menschen mit einem weiteren Lebensjahr für sich persönlich besser beantworten können. Aufgrund diesem einen weiteren Jahr Lebenserfahrung aber auch aufgrund der biologischen Entwicklung können die Schülerinnen und Schüler selbständiger die sich ergebenen Fragen für sich persönlich fundierter beantworten.

Dass dabei auf gymnasiale Standards – auch in der Sekundarstufe I – nicht verzichtet werden soll, kann man, aufgrund der Entwicklung der Schullandschaft und aufgrund der zurecht positiven Stellung der Gymnasien gut nachvollziehen.

Natürlich gibt es auch junge Menschen, für die das achtjährige Gymnasium sinnvoller ist. Unser Gaesdocker Modell berücksichtigt ja genau auch das.

Bildung besteht nicht nur aus (Schul-)Ausbildung, sondern ist deutlich facettenreicher. Wenn man eine breite Bildung von jungen Menschen erreichen will, ist das nicht durch zeitliche – und somit logischerweise auch inhaltliche – Kürzung zu erreichen. Nachhaltig werden Kompetenzen dadurch erworben, dass man wiederholt und diese in anderen Kontexten anwendet – zeitliche Verkürzung kann sich hier im Allgemeinen nicht positiv auswirken. Bei uns können beispielsweise Junior Business School, Musikschule oder Kunstschule zusätzlich zum Unterricht genutzt werden.  

Eltern sind besorgt, weil ihre Kinder nachmittags Unterricht haben und Schüler fragen sich, ob sie in der G8 Klasse noch genug Zeit für Freunde, Freizeit und soziales Engagement haben. Übertriebener Hype oder gelebte Realität auch an Ihrer Schule?

Wie ich gerade schon erwähnt habe, ist es aus meiner Sicht sinnvoller, den jungen Menschen mehr Zeit zur Verfügung zu stellen – falls nötig.

Bei uns haben die Schüler in der Sekundarstufe I keinen Nachmittagsunterricht. So bleibt für Freunde und soziales Engagement mehr Zeit und gleichzeitig können sie in der Schule intensiver und entspannter Lernen, da ihnen dort mehr Zeit zur Verfügung steht.

Selbstverständlich gibt es aber auch Schülerinnen und Schüler, die aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten und aufgrund ihrer (familiären) Sozialisation dieses weitere Jahr nicht nötig haben.

Da uns jeder junge Mensch wichtig ist, haben wir das Gaesdoncker Modell entwickelt.

Übrigens wird diese individuelle Förderung ja auch in §1 des Schulgesetztes in Nordrhein-Westfalen gefordert. Wir haben durch unsere Institutionalisierung von beiden zeitlichen Dauern des gymnasialen Bildungsgangs bessere Voraussetzungen und können dadurch jede Person insgesamt noch passgenauer (also individueller) fördern.

Durch die gewonnene Schulzeit kann man sich intensiver mit Themen auseinandersetzen. Durch die Entschleunigung des gesamten Prozesses steht für außerunterrichtliche Aktivitäten auch mehr Zeit zur Verfügung, in der man sich beispielweise sozial engagieren kann oder seinem Hobby nachgehen kann.

Wir konnten beispielsweise beobachten, dass die Auslandsaufenthalte im G8-System deutlich abgenommen haben, im Vergleich zum neunjährigen Gymnasium. 

Manch einer oder eine entscheidet sich für das Abitur nach zwölf Jahren, um möglichst früh mit dem Studium beginnen zu können, wiederum andere lassen sich da lieber mehr Zeit, um für einige Zeit Auslandserfahrungen zu sammeln. Sollten wir diese Entscheidung nicht denjenigen überlassen, um die es hier eigentlich geht?

Genau das ist unser Ansatz und unsere grundsätzliche Einstellung. Selbstverständlich stehen wir mit unseren Erfahrungen und unserer Expertise jeder und jedem Einzelnen zur Seite. 

Während  noch kräftig von verschiedenen Stellen über den Königsweg diskutiert wird, hat Ihre Schule bereits reagiert. Das Collegium Augustinianum Gaesdonck bietet einfach beide Möglichkeiten an. Können Sie uns bitte das Modell Ihrer Schule kurz erläutern?

Bei uns starten grundsätzlich alle Schülerinnen und Schüler, wenn sie in der Jahrgangsstufe 5 zu uns kommen, im neunjährigen Bildungsgang, beginnen damit ihren gymnasialen Bildungsweg und sammeln u. a. Erfahrungen. Somit ist zunächst mal vorgesehen, dass die Schülerinnen und Schüler bis zu Klasse 10 die Sekundarstufe I besuchen und entsprechend dann die Jahrgangsstufen 11 (EF), 12 (Q1) und 13 (Q2) der gymnasialen Oberstufe.

Am Ende der Jahrgangsstufe 9 besteht dann die Möglichkeit die Jahrgangsstufe 10 zu überspringen und nach der neunten Klasse direkt in die gymnasiale Oberstufe zu wechseln – wie es im G8-System ist.

Um eine Unterstützung bei der Schulzeitverkürzung zu gewährleisten, investieren wir in Förder- (oder besser Forder-)maßnahmen im zweiten Halbjahr der Klasse 9 und – falls notwendig – im ersten Jahr der gymnasialen Oberstufe, sodass den Schülerinnen und Schüler eine passende Begleitung geboten wird.

Durch dieses Modell können die Schülerinnen und Schüler, aber auch deren Eltern die Erfahrungen aus Klasse 5 bis 9 mit in ihren Entscheidungsprozess einfließen lassen und sicherlich zu einer besseren – weil für das jeweilige Kind passenderen – Entscheidung kommen. Wenn die Frage nach acht oder neun Jahren Dauer des Weges zum Abitur nach Klasse 4 beantwortet werden muss, kann die persönliche Entwicklung des Kindes in der weiterführenden Schule nicht beantwortet werden. Das ist einfach zu früh.

Wem die Bildung von jungen Menschen am Herzen liegt, kann nur zum Schluss kommen, dass das Gaesdoncker Modell Kindern und Jugendlichen in ihrer Verschiedenartigkeit gerechter wird, als starre Modell es tun könnten.


Über den Autor Dr. Thorsten Kattelans, (Dipl.-Math., OStR i. K.)
Studium der Mathematik und der Physik an der Universität Duisburg-Essen;
Promotion in Mathematik an der Universität Duisburg-Essen;
Lehrer für Mathematik und Physik am Collegium Augustinianum Gaesdonck in Goch;

Veröffentlicht am 15.02.17

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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