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5 Fragen — 5 Antworten: Mit Professorin Nora Szech

30. November 2016

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Professorin Nora Szech (1980 in Bremen geboren und in Mülheim an der Ruhr aufgewachsen)  ist Inhaberin des Lehrstuhls für Politische Ökonomie in Karlsruhe. Sie sucht unter anderem Antworten auf die Frage, welchen Stellenwert moralische Kategorien haben.

Die Frage, was man nach dem Abitur vorhat, nervt nicht nur die Abschlussklassen. Mit der Antwort Irgendetwas mit zählen einige Schüler schon zu den Entschlossenen. Direkt ins Studium, eine Ausbildung machen oder  im Ausland erste Erfahrungen sammeln? Den eigenen Interessen folgen oder einen sicheren Weg gehen? Wozu würden Sie jungen Menschen raten?

Die eigenen Interessen würde ich ganz klar in den Vordergrund stellen. Es ist wichtig, dass man das, was man tut, auch wirklich mag. Auch wichtig finde ich den Mut, Sachen auszuprobieren. Das ist in der heutigen Zeit sicherlich nicht immer einfach – viele junge Leute fühlen sich unter sehr großen Leistungsdruck, und bemühen sich um einen vollkommen polierten und absolut gradlinigen Lebenslauf. Dabei sind die Umwege doch oft gerade spannend!

Durch den Tweet der damals 17-jährigen Schülerin Naina, in dem der Wunsch nach "mehr lebensnahem Unterricht" geäußert wurde und Themen wie z.B. Steuern, Miete und Versicherungen  mit behandelt werden sollten, wird die Diskussion um die Wissensvermittlung an unseren Schulen wieder neu befeuert. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema, bereitet Schule zu wenig auf das Leben vor?

Schule sollte neugierig machen, und ich stimme zu, Schule sollte einem Werkzeuge an die Hand geben, die man später gut gebrauchen kann. Mein Eindruck ist, es geht mittlerweile zu sehr um gute Noten, und zu wenig um den Spaß am Neuen. Und ja, praktischer Rat zu den Herausforderungen des Lebens schadet sicherlich auch nicht, und grad der Bereich Finanzen erfordert einiges an Wissen, das bereits in der Schule vermittelt werden kann. Aber generell glaube ich: Wissen ist nicht alles! Wichtig ist es auch, für Neues offen zu sein, und auch mal mit einem Rückschlag klarkommen zu können. 

Als Verhaltensökonomin untersuchen Sie unter anderem ein Themenfeld, das in der Welt der Wirtschaft in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten, nennen wir es einmal vorsichtig, eher unbekannt war: die Moral. Ändert der Mensch seine ethischen Prinzipien, sobald er Profit macht?

Oftmals ja. Wenn kein Geld im Spiel ist, vertreten viele sehr hohe moralische Standards – allerdings ist es natürlich auch vergleichsweise einfach, hohe Standards zu bekunden, wenn einem keine Kosten daraus entstehen. Das ändert sich, wenn Geld im Spiel ist. Doch die Abwägung Geld versus Moral fällt vollkommen unterschiedlich aus je nachdem, wie der Entscheidungsprozess gestaltet ist. In Komitees folgen viele Menschen deutlich geringeren moralischen Standards als wenn Sie allein für die Entscheidung verantwortlich sind. Da kann man sich gut hinter anderen verstecken! Und als Marktakteure, wenn moralische Werte gemeinsam mit anderen Marktakteuren verhandelt werden, sinken die Standards nochmals drastisch ab. Das trifft nicht für jeden gleichermaßen zu, es gibt auch sehr selbstlose Charaktere. Aber im Schnitt ergeben sich extreme Effekte. 

Wie die jüngsten Vorkommnisse, wie z.B. Dieselgate bei VW sowie die 5,5 Millionen Euro Entlohnung Franz Beckenbauers im Rahmen seines angeblichen Ehrenamts als Chef des Organisationskomitees der WM 2006 in Deutschland belegen, tritt neben Geldgier auch Scheinheiligkeit auf den Plan. Sind  die Mächtigen und Reichen mittlerweile soweit der Welt entrückt, dass nur ihre eigenen Prinzipien gelten und Wörter wie "Schuldbewusstsein" oder "Anstand" nicht zu deren Vokabular gehören?

Es gibt einige persönliche Merkmale, die vor Gier ein Stück weit schützen können – es hilft zum Beispiel, wenn man in sozialen Strukturen aufgewachsen ist und auch mal etwas mit dem Geschwisterkind teilen musste. Wir beobachten zudem, dass Frauen tendenziell höheren moralischen Standards folgen als Männer – das gilt selbst in Marktsituationen, in denen die Gier oft sehr groß ist. Vermutlich spielt auch da die Erziehung eine wichtige Rolle. Sehr machtorientierte Menschen sind tatsächlich tendenziell eher dazu bereit, bei moralisch relevanten Fragen "Fünfe grade sein zu lassen". Das ist eine Gefahr. Trotzdem kann durch kluges Gestalten von Entscheidungsmechanismen gierigem Verhalten vorgebeugt werden. Es ist deswegen wichtig, dass Organisationen gründlich ihre Hausaufgaben machen. Und dass Demokratien es nicht einfach hinnehmen, wenn einzelne meinen, sie könnte sich allen Regeln des Anstands entziehen.

Zählten für frühere Generationen noch Macht, Einfluss, Statussymbole und Reichtum, so tickt die Generation Z heute anders. Lässt sich hier aus Ihrer Sicht die Feststellung ableiten, dass sich diese Generation einer anderen Lebensweise verpflichtet fühlt und nicht in einer rein selbstbezogenen Welt leben will?

Ich glaube, niemand möchte in einer rein selbstbezogenen Welt leben. In der Forschung ist weitestgehend unklar, ob es diese starken Generationseffekte wirklich gibt. In Deutschland sind die Werte bei den jungen Menschen oft gar nicht so weit von denen der Älteren entfernt. Wichtig ist, dass wir als Gesellschaft gemeinsam überlegen, welche Werte uns wichtig sind. Wir haben in Deutschland eine soziale Marktwirtschaft, es ist also eine bewusst nach sozialen Kriterien gestaltete Wirtschaft, in der zum Beispiel für Arbeitnehmer, für Kinder, für Familien und auch für Alleinerziehende gute Standards garantiert sein sollten. Um dies zu gestalten, ist politische Teilhabe von enormer Wichtigkeit. Märkte allein können nicht alles regeln.

Veröffentlicht am 30.11.16

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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