Ausbildung 4.0 - Wie die Berufsschulen mit der Digitalisierung umgehen müssen

Die Autorin Jana Kathinka Müller
Berufliche Bildung im digitalen Zeitalter - Das Tablet im Klassenzimmer allein reicht nicht
Digitalisierung verändert die Berufswelt- heute und in Zukunft. Die zunehmend digitalisierte Welt, in der wir leben und arbeiten, erfordert immer mehr digitale Kompetenzen, auch von Auszubildenden. Viele Kinder und Jugendliche wachsen heute zwar mit dem Smartphone und Tablet auf – die Anwendung beschränkt sich jedoch meist auf den privaten Gebrauch.
Im Schul- und Ausbildungsbereich gibt es hier vielerorts noch Nachholbedarf. Viele Schulen der Beruflichen Bildung müssen dringend modernisiert und digital aufgestellt werden:
Um digitale Kompetenzen vermitteln zu können, müssen Berufsschullehrer digital fit und Berufsschulen zeitgemäß ausgestattet sein. Dazu zählen ein Glasfaser-basierter Breitband-Internetzugang, mobile Endgeräte, Internetgestützte Lernplattformen und eine allgemeine digitale Ausstattung auf technisch aktuellem Stand. Der Einsatz von Tablets im Klassenzimmer allein genügt nicht, ebenso wenig wie der Austausch von Kreidetafeln gegen Smartboards.
Es kommt auf das didaktische Konzept an, das dahintersteht. Es darf auch nicht darum gehen, einzelne Leuchttürme zu schaffen oder mit dem Gießkannenprinzip zu arbeiten. Alle Schulen müssen flächendeckend und ihrem Bedarf entsprechend ausgestattet werden.
Investitionen in die Ausstattung der Berufsschulen sind dabei genauso wichtig, wie Initiativen zur Lehreraus- und -fortbildung. Berufsschullehrer müssen qualifiziert und die Lehrkonzepte der Berufsschulen an neue technische Möglichkeiten angepasst werden.
Anfang des Jahres haben wir in unserer DIHK Ausbildungsumfrage über 10.000 Unternehmen zu ihren Ausbildungserfahrungen befragt. Grundsätzlich gilt: Der Großteil der Betriebe ist mit ihrem dualen Partner, der Berufsschule, zufrieden oder sehr zufrieden. 27 Prozent der Betriebe sehen allerdings Verbesserungspotenzial bei der Ausstattung der Berufsschulen. Und über alle Branchen hinweg sehen 31 Prozent der Betriebe einen Weiterbildungsbedarf bei den Lehrkräften. Den größten Handlungsbedarf haben die befragten Unternehmen in der Verbesserung der Kommunikation zwischen Schule und Betrieb festgestellt.
Das betrifft oft auch die digitale Kommunikation. Während Unternehmen meist per E-Mail kommunizieren, haben viele Lehrer zum Beispiel keinen beruflichen Mail-Account oder digitalen Arbeitsplatz im Lehrerzimmer, der ihnen die Kommunikation und den schnellen Austausch mit den Ausbildungsbetrieben erleichtert.
Dabei bieten digitale Medien viele Chancen für Berufliche Schulen und Ausbildungsbetriebe im Hinblick auf die Kommunikation zwischen Berufsschule und Unternehmen oder die Gestaltung von neuen Formen der Lernortkooperationen. Wichtig ist es dabei, alle Beteiligten, Auszubildende, Berufsschüler aber auch Lehrkräfte und Ausbilder mitzunehmen. Dafür brauchen Berufsschullehrer mehr zeitliche Reserven.
Wenn wir die Leistungsfähigkeit unserer Berufsschulen in den Regionen erhalten und sie zukunftsfest aufstellen wollen, müssen wir sicherstellen, dass genug und gut qualifizierte Berufsschullehrer ausgebildet werden. Das gilt besonders für berufsqualifizierende Fächer im Bereich Metall-, Elektro-, Fahrzeugtechnik oder Informatik. Vor allem in diesen gewerblich-technischen Fächern zeichnen sich Nachwuchsprobleme in den Berufsschulen ab.
Die Ausbildung durch ausgebildete Fachlehrer ist ein wichtiger Gradmesser für die Qualität des Unterrichts. Berufsschullehrer zu sein, muss wieder attraktiver werden. Das kann gelingen, wenn das Berufsbild Lehrer an einer berufsbildenden Schule Teil der Berufs- und Studienorientierung wird, finanzielle Anreize und ein attraktives Arbeitsumfeld mit einer modernen Ausstattung geschaffen werden oder der Quereinstieg erleichtert wird.
Wenn die neue Bundesregierung und die Kultusministerkonferenz die Attraktivität der Beruflichen Bildung weiter stärken will, muss sie zusammen mit den Ländern die Investitionen in die Ausstattung der beruflichen Schulen erhöhen - in Hard- und Software sowie entsprechend ausgebildete Lehrkörper und digitale Weiterqualifizierungen.
Der Investitionsbedarf hierfür ist eine Herausforderung. Durch den DigitalPakt#D soll die digitale Ausstattung aller Schulen finanziert werden.
Bislang hat das BMBF eine Investitionssumme von 5 Milliarden Euro dafür in Aussicht gestellt. Mit schätzungsweise 2,5 Milliarden Euro benötigen aber allein die Berufsschulen rund die Hälfte der Gelder, um sich für die Anforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft in unserem digitalen Zeitalter zu rüsten. Berufsschulen sollten daher bei den künftigen Planungen eine stärkere Berücksichtigung finden. Darüber hinaus ist es wichtig, ländliche Räume durch gute Infrastruktur zu stärken. Um Fachkräfte in der Region zu halten, sind Berufsschulstandorte und Berufsschulangebote vor Ort von großer Bedeutung. Berufsbildende Schulen müssen in die Lage versetzt werden, über regionale Grenzen hinweg Kooperationen einzugehen, um in seltenen Berufen einen Wohnort- und Betriebsnahen Unterricht zu ermöglichen.
Insgesamt gilt es, politische Rahmenbedingungen zu schaffen, die die duale Ausbildung stärken und die Attraktivität der Beruflichen Bildung erhöhen. Es bedarf dringender Investitionen in eine attraktive Berufsschullandschaft, die für Berufsschüler und Berufschullehrer gleichermaßen interessant ist und sich am Bedarf der Wirtschaft orientiert.
Darum brauchen wir in der neuen Wahlperiode eine gemeinsame Berufsschuloffensive von Bund und Ländern, die für eine moderne digitale Ausstattung, betriebsnahe Berufsschulstandorte und einen ausreichenden Nachwuchs an qualifizierten Berufsschullehrern sorgt.
Über die Autorin | Jana Kathinka Müller leitet das Referat Berufsorientierung, Berufsschulen und MINT-Förderung im Bereich Ausbildung beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag.