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Ausbildungsmarketing in Zeiten digitalen Wandels: Einblicke und Ausblicke

16. Oktober 2020

Wird auch das Ausbildungsmarketing vom digitalen Wandel betroffen sein und welche disruptiven Veränderungen werden uns hier die nächsten Jahre erwarten? Wie wird Ausbildungsmarketing in den Unternehmen gelebt, auch und gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung und wie müssen sich die Unternehmen aufstellen, um dem Nachwuchsproblem zu begegnen? Diesen spannenden Fragen wollen wir nachgehen und tauschen uns sich hierzu mit Melikshah Ünver,Gründer und Geschäftsführer von Taledo, aus.

Herr Ünver, können Sie sich bitte unseren Leserinnen und Lesern kurz vorstellen und das Geschäftsmodell von Taledo erläutern?

Aber natürlich: Mit Taledo haben wir eine digitale Plattform gebaut, auf der wir hochqualifizierte Fachkräfte und Unternehmen zusammenbringen. Unternehmen können über die Plattform direkte und nicht-bindende Job-Angebote machen und Kandidaten können dann entscheiden, ob sie an einem Vorstellungsgespräch interessiert sind. Für Unternehmen verkürzt sich so die Kandidatensuche, insbesondere ​bei schwer besetzbare​n​ Stellen. Für Kandidaten entfällt der klassische und zeitintensive Bewerbungsprozess. Sie können sich innerhalb von wenigen Minuten auf der Plattform registrieren, erhalten in kurzer Zeit Interviewanfragen von Unternehmen und finden einen Job mit bis zu 20 Prozent mehr Gehalt. Sobald ein Kandidat eingestellt wird, erhält Taledo 20 Prozent des Jahreszielgehalts.

Der Fachkräftemangel in Deutschland setzt Unternehmen und verschiedene Branchen nach einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) heftig zu. Es fehlen vor allem Techniker, Pflegekräfte, Handwerker und Informatiker. Meiner Wahrnehmung nach unternehmen die Unternehmen zur Gewinnung des Nachwuchses von morgen aber auch zu wenig und klagen stattdessen lieber auf gewohnt hohem Niveau. Täuscht dieser Eindruck, wie sind hier Ihre Erfahrungen?

Das Ganze ist ein höchst komplexes Problem, das diverse Ursachen hat. Allerdings machen gerade die deutschen Unternehmen einen Schritt auf die potentiellen Bewerber zu. Beispielsweise hat die Deutsche Bahn mit dem Verzicht auf ein Bewerbungsanschreiben (ab Herbst) eine Hürde des Bewerbungsprozesses, an der viele Jugendliche scheitern, abgeschafft. Kürzlich habe ich von einem Pflegebetrieb gelesen, der mit einer eigenen Akademie und attraktiven Prämien dem Personalmangel entgegen wirkt. Auch das aktuelle Programm von VW zeigt, dass der deutsche Arbeitsmarkt das Problem erkannt hat und Maßnahmen ergreift.

Der Ausbildungsmarkt wandelt sich zunehmend zu einem Bewerbermarkt. Während sich Unternehmen bis noch vor einigen Jahren die besten Bewerber herauspicken konnten, sehen sie sich mittlerweile mit einer anderen Ausgangssituation konfrontiert. Einige Branchen sowie eine nicht unerhebliche Anzahl von Unternehmen können die von ihnen ausgeschriebenen Ausbildungsplätze über die herkömmlichen Rekrutierungswege nicht mehr besetzen. Haben die herkömmlichen Online-Jobbörsen in Deutschland über kurz oder lang ausgedient und welche Wege sollten Unternehmen auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung gehen? 

Ja, die herkömmlichen Jobbörsen haben ausgedient und die Unternehmen sollten Plattformen wie Taledo nutzen - Spaß beiseite: Nutzt ein Unternehmen klassische Stellenausschreibungen auf herkömmlichen Online-Jobbörsen, müssen sie damit rechnen, haufenweise Bewerbungen von geringqualifizierten Kandidaten zu erhalten. Diese Masse an Bewerbungen müssen die Personalabteilungen der Unternehmen dann durcharbeiten und finden im Zweifelsfall keinen geeigneten Bewerber für die vakanten Stellen. Das ist nicht nur für Unternehmen kostspielig und zeitintensiv, auch Bewerber investieren unheimlich viel Zeit in individuelle Anschreiben. Der Markt arbeitet wie vor 20 Jahren, obwohl wir im Zuge der Digitalisierung die Möglichkeiten haben, viel effizienter vorzugehen.

Allgemein rückläufige Schülerzahlen sowie der Trend, eher ein Studium als eine Ausbildung zu beginnen, erschweren so manchem Unternehmen die Suche nach dem passenden Kandidaten. Ein noch stärkeres Hemmnis für die Unternehmen sind jedoch die unklaren Berufsvorstellungen vieler Schulabgänger. Müssen wir in Deutschland deshalb nicht auch schulische und außerschulische Angebote der Berufs- und Studienorientierung verbessern und weiter ausbauen?

Absolut. Den Trend hin zum Abitur und Studium und weg von Lehre und Ausbildung beobachte ich äußerst kritisch. Kinder werden von viel zu ambitionierten Eltern regelrecht genötigt, das Gymnasium zu besuchen und erfolgreich zu absolvieren. Für die Schüler ist es dann eine reine Quälerei. Sie gehen mit schlechten schulischen Leistungen und mit einem schlechten Abiturzeugnis von der Schule ab, um an einem Studiengang mit niedrigem NC teilzunehmen - da stellt sich mir die Frage: Wem nützt das was? Niemandem, weder den Schülern, noch den Eltern und vor allem nicht der Gesellschaft. Trotzdem übt die Gesellschaft den Druck auf Eltern sowie Schüler aus und lässt sie im Glauben, eine akademische Laufbahn einzuschlagen wäre wertvoller und wichtiger, als eine Ausbildung zum Handwerker zu machen. Berufsorientierungskurse sollten nicht nur den Haupt- und Realschülern vorbehalten sein.

Des Weiteren müssen sich die Schulen viel stärker an die individuellen Bedürfnisse der Schüler anpassen. Schüler brauchen keine Pauschalbewertung in Form von Schulnoten, sondern individuelles und differenziertes Feedback. In Skandinavien (die seit Jahren die besten Ergebnisse bei den PISA-Studien erzielen) werden Schüler erst ab der 8. Klasse mit Noten bewertet.

Volkswagen reagiert auf den wachsenden Fachkräftemangel im IT-Sektor und will in den nächsten Jahren Hunderte Software-Entwickler im Projekt “Fakultät 73” selbst ausbilden. Welche Auswirkungen wird das auf den deutschen Arbeits- und Bildungssektor haben?

Kurzfristig könnten weitere Autobauer wie BMW auf den Zug aufspringen und ähnliche Projekte ins Leben rufen, da VW jetzt schon einen kleinen Vorsprung hat. Je nachdem, wie erfolgreich die “Fakultät 73” sein sollte, wird sich mittelfristig der gesamte deutsche Arbeitsmarkt und auch der Bildungssektor nachhaltig verändern: Durch die praxisorientierte Ausbildung sind die im Betrieb ausgebildeten Absolventen mit anderen Fähigkeiten - wie zum Beispiel realitätsnahe Problemlösungskompetenzen -  als Hochschulabgänger ausgestattet. Sie können direkter und schneller in den Arbeitsalltag eingegliedert werden. Dadurch werden auch die Selektionskriterien der Personalabteilung von deutschen Firmen neu ausgerichtet. Weg vom Abstrakten hin zum Praktischen. Grund dafür ist natürlich der Druck, der im Arbeitsmarkt viel höher ist. Über kurz oder lang wird auch der Bildungssektor reagieren müssen und die Studiengänge anpassen. Fest steht, dass VW hier einen wichtigen Schritt macht und aktiv auf den wachsenden Fachkräftemangel reagiert. Dass die Ausbildung an den Hochschulen zuweilen an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes vorbei geht, ist nicht neu. Wenn dagegen nun aber noch mehr privatwirtschaftliche Initiativen entstehen, könnte der Digitalstandort Deutschland auch im internationalen Kontext wieder Boden gut machen.

Wagen wir einen Blick nach vorn in die Zukunft. Wie sieht der Kampf um die besten Köpfe der Schüler/Innen in 5-10 Jahren aus? Werden Talentscouts bzw. Schüler-Headhunter auch schon bald an deutschen Schulen unterwegs sein?

Ich gehe schon davon aus, dass das “Rekrutieren” von Talenten in Zukunft viel früher beginnen wird. Schon heute sind Firmen wie McKinsey sehr früh an den sogenannten “high-caliber”-Leuten dran. Wenn VW sich mit der “Fakultät 73” die Dienste der besten Leute bereits direkt nach dem Abitur sichert, werden andere Firmen reagieren und in zehn Jahren vielleicht schon nach der Grundschule selektieren und auch rekrutieren. Bereits Ende der neunziger Jahre sprach man von dem “War for Talents”. Und der Kampf um die besten Nachwuchskräfte hat sich seitdem nur noch mehr verschärft.

Veröffentlicht am 16.10.20

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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