Azubi-Marketing neu denken: Bieten statt fordern!
Noch vor einigen Jahren klopften junge Leute bescheiden bei Unternehmen für einen Ausbildungsplatz an. In Zeiten rückläufiger Schulabgänger und dem damit verschärften Wettbewerb um die guten und sehr guten Bewerber können Personaler nicht mehr davon ausgehen, nach einer lokalen Stellenanzeige aus einem Pool von Bewerbern auswählen zu können.
Stattdessen müssen sie sich dem „War of Talents“ stellen. Heute haben es Recruiter mit selbstbewussten Bewerbern zu tun. Die Aussage „Ich bin froh, wenn ich überhaupt einen Ausbildungsplatz bekomme“ gehört der Vergangenheit an. Die Mehrheit der Bewerber informiert sich im Vorfeld und weiß genau, was sie will.
Mit großer Konstanz nennen junge Bewerber folgende Erwartungen an ihre potentiellen Arbeitgeber:
- Sicherheit der Arbeitsstelle
- eine interessante Tätigkeit ausführen
- gutes Betriebsklima
- durch Leistung vorankommen
- ausreichend Geld verdienen
Zielgruppengerechtes professionelles Ausbildungsmarketing ist wesentlich für den Unternehmenserfolg. Die Mitarbeiter sind der zentrale Faktor für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens und Arbeitgeberattraktivität und Mitarbeiterbindung fangen bereits in der Ausbildung an.
Aber wie erreicht man nun die gewünschte Zielgruppe?
Es gibt leider nicht den Königsweg. Jedes Unternehmen muss seine eigene Strategie für die Bewerberansprache entwickeln. Die folgenden Anregungen können jedoch helfen, die richtigen Entscheidungen bei der Entwicklung und Umsetzung der individuellen Strategie zu treffen.
Azubi-Marketing als Prozess implementieren
Ausbildungsmarketing sollte ähnlich wie Produktmarketing begriffen und gelebt werden. Unternehmen müssen nun verstärkt auf die Bewerber zugehen und über sich und die Ausbildungsmöglichkeiten informieren. Das Unternehmen muss sich sozusagen beim Bewerber bewerben. Stellen Sie ganz klar in den Vordergrund, was Sie von der Konkurrenz abhebt.
Was macht Sie als Arbeitgeber interessant? Stellen Sie die positiven Seiten Ihres Unternehmens heraus. Warum soll man sich gerade bei Ihnen bewerben? Was bieten Sie Ihren Azubis? Gibt es zusätzliche Angebote in Form von Zuzahlungen, Jobtickets, Verpflegung…?
Machen Sie transparent, welche Ausbildungsberufe und –inhalte Sie anbieten. Gibt es langfristige Weiterbildungsmöglichkeiten? Jobsicherheit/Übernahmechancen? Mentoren während der Ausbildung? Betriebsklima, Ausbildungsqualität, usw....?
Schaffen Sie Mehrwerte und transportieren diese nach außen!
Die Jugend lebt im Web
Fast alle Jugendlichen haben Zugang zum Internet, quer durch alle Schichten. Deswegen sollten Sie dort angeln, wo die Fische leben. Zudem ermöglicht das Internet gegenüber anderen Medien ein hohes Maß an Interaktion. Online-Bewerbungen werden bald Standard sein und senken zudem die Hemmschwelle, so dass der Pool potenzieller Kandidaten deutlich größer wird.
Auch in sozialen Netzwerken wie Facebook und co. können sich Unternehmen präsentieren und direkten Kontakt zu potenziellen Auszubildenden herstellen.
Selbstverständlich sind aber auch die klassischen Werbemittel wie Flyer, Online-Jobbörsen, eigene Internetseite oder auch Radio- oder TV-Spots als Recruiting-Instrument möglich. Umfragen zufolge erhalten die meisten Jugendlichen Informationen über ihre Eltern oder Freunde. Ebenfalls erfolgsversprechend sind Kooperationen mit Schulen, Teilnahmen an Messen oder Praktika im Unternehmen.
Zielgruppengerecht schreiben
Niemand erwartet von einem 50jährigen Ausbildungsleiter, dass er wie seine Azubis spricht und schreibt. Abgesehen davon können die eigenen Azubis doch am allerbesten vermitteln, wie begeisternd Sie ihre Ausbildung absolvieren. Warum nicht direkt sie von ihren Erfahrungen berichten und Werbung für das Unternehmen machen lassen!?
Lassen Sie sie möglichst oft zu Wort kommen, sei es auf einer eigenen Website oder in einem Azubi-Blog. Beispielsweise als Azubi-Projekt kreiert lernen die Auszubildenden Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig können Bewerber sich vor der Ausbildung über das Unternehmen und seine Stärken informieren.
Wichtig dabei ist: Bleiben Sie authentisch. Eine positive Eigendarstellung muss auch den „typischen“ Unternehmensalltag wiederspiegeln, ansonsten verliert man die Glaubwürdigkeit.
Heiße Phase im Azubi-Marketing: 365 Tage im Jahr
Die meisten der Jugendlichen suchen im Internet Orientierung bei der Berufswahl. Wenn es den Unternehmen gelingt, in den Dialog mit potentiellen Bewerbern einzusteigen und ihnen Angebote zur Orientierung zu machen, können Talente aufgespürt und angezogen werden. Mit anderen Worten: Die Azubi-Kommunikation im Internet braucht eine Umstellung auf 365 Tage im Jahr. Den Dialog müssen Unternehmen kontinuierlich führen, nicht nur in den „heißen Monaten“.
Potenziale erkennen
In Zeiten rückläufiger Schulabgänger und dem damit verschärften Wettbewerb um die besten Bewerber macht es Sinn, den Blick auf die vermeintlich „zweitbesten“ Bewerber zu richten. Klar möchte jeder gerne die besten Fische ködern, aber oft lohnt es sich auch den Blick auf Bewerber zu richten, die in der bisher gängigen Auswahllogik aussortiert worden wären. Diese entwickeln sich oft mittelfristig zu sehr motivierten und loyalen Mitarbeitern.
Darüber hinaus sollten auch Aspekte wie Sozialkompetenz oder Kommunikations- und Konfliktfähigkeit in die ganzheitliche Beurteilung der Bewerber einbezogen werden. Nicht zwangsläufig muss der am besten qualifizierte Bewerber für jedes Unternehmen der Beste sein.
Auf den Internetseiten unserer IHK finden Sie einen Unternehmens-Selbstcheck. Er zeigt, wo Ihr Unternehmen aus der Sicht der Jugendlichen seine spezifischen Stärken hat, aber auch wo Sie vielleicht nachbessern können. Der Check dauert 15 Minuten und ist völlig anonym.
www.essen.ihk24.de (Dok.-Nr. 3338526).
Sollten Sie individuelle Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne auch persönlich beratend zur Verfügung.
Die Autorin Jessica Hallmann ist Projektleiterin Fachkräftesicherung bei der Industrie- und Handelskammer zu Essen.
E-Mail: jessica.hallmann@essen.ihk.de
Tel.: 0201/1892-234