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Claus Weselsky: 5 Fragen — 5 Antworten

22. Juni 2015

Claus Weselsky-Interview-Foto

Claus Weselsky (1959 in Dresden geboren) ist ein deutscher Lokomotivführer und Gewerkschaftsfunktionär. Seit dem 6. Mai 2008 ist er Bundesvorsitzender der Gewerkschaft  Deutscher Lokomotivführer (GDL). wissensschule.de tauschte sich mit ihm über Bahnstreiks, seine Ausbildung in der ehemaligen DDR  sowie Ratschläge für junge Menschen aus.

 

wissensschule.de: In der Beliebtheitsskala prominenter Menschen werden Sie wahrscheinlich zurzeit nicht ganz oben auf der Liste stehen. Fühlen Sie sich zu Unrecht angefeindet und diffamiert?

Claus Weselsky: Opportunismus und Egoismus sind weit verbreitet und führen leider dazu, dass sich jeder selbst der Nächste ist. Es ist doch bequemer „mit den Wölfen zu heulen“, als sich offen zu einer Sache zu bekennen und das Ich dem Wir unterzuordnen. Spalten geht viel schneller, als Solidarität zu erzeugen. Eine Gewerkschaft hat die Interessen ihrer Mitglieder zu kennen, zu wahren und wenn es notwendig ist, diese Interessen auch durchzusetzen. Ich bin kein Schönwetter-Vorsitzender, sondern trete auch dann vor die Kameras und Mikrofone, wenn die Zeiten einmal härter sind und der Wind rauer weht. Das macht mich aus, daran halte ich fest und damit habe ich mir in der Öffentlichkeit eine gewisse Achtung erarbeitet. Als allerdings während des Tarifkonflikts einige Journalisten unlautere Methoden anwandten und meine Privatsphäre verletzten, musste ich zum Schutz meines persönlichen Umfelds sogar die Polizei einschalten.

Bahnfahrer die täglich auf den Zug angewiesen sind empören sich und können wiederholte Streiks und damit Zugausfälle nicht mehr nachvollziehen. Können Sie die Leute verstehen und was halten Sie denen entgegen?

Natürlich kann ich das verstehen. Die Berichterstattung in den Medien hat die eigentlichen Arbeitszeit- und Belastungsprobleme des Zugpersonals gar nicht widergespiegelt. Darüber hinaus hat die DB es geschickt verstanden, ihre unbegründete Verweigerungshaltung zu verdecken. Wir erwarten nicht, dass die Reisenden jubelnd am Bahnsteig stehen und auch noch Beifall klatschen wenn der Zug nicht kommt. Dennoch hatten wir in Umfragen am Beginn der Tarifauseinandersetzung ausreichende Unterstützung und trotz häufiger Streiks von insgesamt 420 Stunden zum Schluss immer noch die Zustimmung von fast 50 Prozentin der Bevölkerung. Das zeigt, dass die Menschen sehr wohl zu einer differenzierten Betrachtung in der Lage sind und unseren Anliegen positiver gegenüberstehen, als das so manchem Meinungsmacher lieb ist. Die öffentliche Meinung ist eben nicht automatisch mit der veröffentlichten Meinung identisch und das sollte uns immer wieder zum Nachdenken anregen. Die Koalitionsfreiheit im Artikel 9 Absatz 3, als Grundlage des Streikrechtes, ist ein besonders geschütztes Verfassungsgut. Dieses Freiheitsrecht steht ausdrücklich und absichtlich über dem Anspruch, zu jeder Zeit und Stunde die Eisenbahn als Transport- und Verkehrsmittel zu benutzen.

Bis 1990 haben Sie noch in Kreischa (ehemalige DDR) gelebt und somit Schulsystem sowie Ausbildung in der ehemaligen DDR erlebt. Wenn Sie so zurückblicken, was hat Ihnen an den alten Systemen besonders ge- bzw. missfallen?

Unfreiheit und Zwang sind große Übel und ersticken jede Kreativität im Keim, doch Probleme löst man nicht mit Scheuklappen, sondern mit klarem Kopf und freier Sicht. Die politische Doktrin war auch im Schulsystem verankert. Deshalb bestand die Kunst darin, sich im Kopf die Freiheit zum Denken zu erhalten, den Mund zum Diskutieren zu verwenden und eine so erarbeitete Meinung auch zu verteidigen. Die Ausbildung war umfänglich und die Wissensgrundlagen sind dadurch sehr breit gefächert. Entscheidend war schon damals und ist auch heute noch, dass man sich nicht davon abhalten lässt,eine gemeinsam erarbeitete und in der Sache richtige Meinung zu verteidigen. Das gilt immer und dabei sind persönliche Vorteile oder auch Nachteile der Sache unterzuordnen, nicht umgekehrt. Ich bin froh über diese Freiheit in unserem Land und genieße sie jeden Tag aufs Neue.

Sie haben den Beruf des Dieselmotorenschlossers erlernt, 1977 schloss sich die Ausbildung zum Lokführer für Diesel- und E-Lokomotiven an. Wenn Sie heute sehen, dass viele junge Menschen ihren Ausbildungsvertrag noch in der Probezeit wieder auflösen, welchen Rat können Schülerinnen und Schülern hier mit auf den Weg geben?

Konsequenz ist das A und O und das gilt im ganzen Leben – bei der Erarbeitung einer Meinung, der Vorbereitung einer Entscheidung, der Umsetzung eigener Ziele und vor allen Dingen bei der Frage, ob man nur für sich lebt oder in der Gesellschaft Verantwortung für andere Menschen übernimmt. Mein Rat an die Auszubildenden lautet daher: Rückt von einer einmal getroffenen Entscheidung nicht vorschnell ab, sondern überprüft deren Richtigkeit und verfolgt dann den eingeschlagenen Weg konsequent bis zum Ende. Wer nach dem Abschluss ein Zeugnis in der Hand hält, kann sich auf dieser Basis dann immer noch weiter oder anders orientieren. Schlimm ist es, von den Ereignissen getrieben zu werden, also zu reagieren und nicht zu agieren und am Ende mit leeren Händen dazustehen.

Hauptanliegen der GDL ist es, die beruflichen, sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen und ökologischen Interessen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern", so steht es in Ihrer Satzung. Ist Streik der einzige Weg zum Erfolg oder gibt es nicht auch hier zielführende Alternativen?

Lokführer tun nichts lieber als Züge von A nach B zu bewegen, das ist ihr Beruf und den üben sie gerne aus. Allerdings darf ihre Belastung in einem sicherheitsrelevanten Bereich nicht ständig ansteigen, denn das kann zu Überlastung und Fehlverhalten mit enormen Auswirkungen führen. Die Gewerkschaft versucht deshalb immer auf dem Verhandlungswege eine Lösung für diese Probleme zu erreichen. Streik kann und darf nach dem „Ultima-Ratio“-Prinzip nur das letzte Mittel sein, um die unbegründete Ablehnungshaltung der Arbeitgeberseite aufzubrechen und Bewegung in einen festgefahrenen Tarifkonflikt zu bringen. Im Übrigen hat die GDL vom Arbeitsgericht Frankfurt und auch vom Hessischen Landesarbeitsgericht bestätigt bekommen, dass die Streiks zulässig, rechtmäßig und verhältnismäßig waren. Es geht mit der GDL auch anders, denn sowohl die Entgelt- und Arbeitszeitverbesserungen in den Tarifrunden 2009 und 2012 als auch den „Tarifvertrag über besondere Bedingungen bei Verlust der Fahrdiensttauglichkeit“ im DB-Konzern haben wir ausschließlich auf dem Verhandlungsweg abgeschlossen. Und auch bei den Privatbahnen sind wir meist über Verhandlungen zu einem Ergebnis gekommen. Nicht umsonst heißt es in einem Sprichwort: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ und es gibt Eisenbahnverkehrsunternehmen in denen noch nie gestreikt wurde, weil die Arbeitgeber ihre Leistungsträger im Zugpersonal auch wirklich wertschätzen.

Veröffentlicht am 22.06.15

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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