Digitale Kanäle durchdringen den Alltag von Jugendlichen vollständig
Die Tendenz der zurückliegenden drei Jahre setzt sich ungehindert fort: Jugendliche überfrachten ihren Alltag durch dauerhafte Digitalnutzung („Das Digitale verdrängt das Soziale“). Sozialkompetenzen und Arbeitsmotivation bleiben so immer öfter auf der Strecke – mit großem Schaden für die Gesellschaft und die Wirtschaft. Der Bundesverband Medien und Marketing (BVMM) fordert ein politisches Präventionsprogramm.
Die aktuelle JIM-Studie (Vorstellung am 1. Dezember 2017) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest zeigt die derzeitigen Nutzungsprioritäten Jugendlicher eindrücklich – und leider auch erschreckend: 94 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren tauschen sich in Deutschland regelmäßig über WhatsApp aus. Auf Platz zwei der mindestens mehrmals pro Woche genutzten Kommunikationsanwendungen steht Instagram (57 Prozent), knapp dahinter liegt Snapchat mit 49 Prozent regelmäßigen Nutzern.
Damit ist das Kommunikationsverhalten Jugendlicher nunmehr komplett in die virtuelle Welt abgedriftet. „Diese besorgniserregende Entwicklung muss zu einem Aufschrei in unserer Gesellschaft führen“, so Verbandspräsident Prof. Dr. Gerald Lembke und hauptamtlicher Professor für Digitale Medien an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. „Es ist nach der aktuellen JIM-Studie eben nicht nur die Durchdringung in der Breite der jugendlichen Zielgruppe, sondern auch in die Tiefe, gemessen in der täglichen Nutzungsdauer“, so Lembke weiter. Die aggregierte Bildschirmzeit betrage in den Spitzengruppen bis zu sieben Stunden pro Tag, durchschnittlich schauten Jugendliche in Deutschland bis zu dreieinhalb Stunden täglich auf ihr Smartphone, zum größten Teil auf WhatsApp und ähnliche Dienste – und verlören somit die sie umgebende Umwelt aus dem Blick.
„Damit werden originäre Kulturtechniken wie das persönliche Aufeinan-derzugehen in realen Welten für immer mehr Jugendliche schwieriger, weil diese Zeit durch die virtuelle Kommunikation substituiert wird. Das wird Konsequenzen für die sozialen Kompetenzen in nahezu allen Unternehmen mit sich bringen“, fürchtet Lembke. „Die Zusammenarbeit zwischen Individuen, die in einer von Narzissmus, Egoismus und Entertainment dominierten Digitalwelt groß werden, wird in Zukunft die größte Herausforderung für die Wirtschaft, insbesondere für das Personalmanagement und die Führungskräfte werden. „Noch werden die jungen Leute von älteren Führungskräften angeleitet. Das mögen die Digitalkids nicht – und die Chefs auch nicht.“
Um diese Fehlentwicklungen zu stoppen, bedürfe es in allen Altersstufen staatlich geförderter Präventionsprogramme, um sozialen Devianzen in großen Teilen der Wirtschaft entgegenzuwirken, so Lembke. Die Wirtschaft trage nämlich mit einem erheblichen Anteil zum sozialen Frieden in unserer Gesellschaft bei – und das pausenlose Chatten und Daddeln auf dem Smartphone sei gerade nicht geeignet, Frieden und Motivation am Arbeitsplatz zu wahren, geschweige denn zu entwickeln. Präventionsprogramme dagegen könnten systematisch und über die verschiedenen Lebensphasen der Jugendlichen hinweg die aktuellen digitalen Risiken und Konsequenzen für die eigene Persönlichkeitsentwicklung behandeln, empfiehlt Lembke und fordert verpflichtende Trainingsprogramme zum Erlernen von Sozialkompetenzen schon für die Kinder und Jugendliche.