Sarah Wiener: 5 Fragen — 5 Antworten
Sarah Wiener (1962 in Halle, Westfalen geboren) ist eine österreichische Unternehmerin, Fernsehköchin und Buchautorin. 2007 gründete sie die nach ihr benannte Sarah Wiener Stiftung. wissensschule.de tauschte sich mit ihr über gutes Essen, persönliche Perspektiven und Lebenserfahrungen aus.
Nachrichten über vollkommen unzureichende Verpflegung an deutschen Schulen sind mittlerweile fast zur Normalität geworden. Wo würden Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen hier den Hebel ansetzen?
Wir brauchen zuerst eine Diskussion und einen Konsens was qualitativ hochwertiges Essen ist und daran sollten sich dann bundesweit Richtlinien für das Schulessen orientieren. Heute gibt es nur ein Kriterium für die Verpflegung in Kindergärten und Schulen: Hauptsache billig. Hier wächst die nächste Generation heran, die schon von klein auf fehlernährt wird, und das in unseren Bildungseinrichtungen! Unsere Kinder erfahren nicht mehr, wie sie sich selbst und eines Tages auch ihre Familien, lustvoll und gesund ernähren können. Sie sind ohne Aufklärung und Unterstützung den industriellen Nahrungskonzernen und deren künstlichem Geschmack ausgeliefert, sie können nicht mehr selbst wählen, was auf ihrem Teller landet.
Aus meiner Stiftungsarbeit weiß ich: Kinder haben richtig viel Spaß, wenn sie selber machen dürfen und nicht nur theoretisches Wissen mit erhobenem Zeigefinger vermittelt bekommen. Deswegen ist mein Motto: Erleben, schmecken, ausprobieren. Dann lernen Kinder, dass gesund nicht gleich „igitt“ ist, sondern richtig viel Spaß macht.
Im Hinblick auf die steigende Anzahl chronischen Krankheiten, Allergien und Fettleibigkeit sollten wir nun endlich anfangen die Ursachen zu bekämpfen und nicht nur deren Symptome. Ärmere Familien und deren Kinder sollten eine subventionierte Mittagsverpflegung in Bildungseinrichtungen erhalten. Caterer für Kindergärten und Schulen sollten strenger kontrolliert und weit besser bezahlt werden als dies zur Zeit der Fall ist, so dass eine gesunde und genussvolle Mittagsverpflegung nicht die Ausnahme bleibt, sondern Normalität wird.
Auffallend ist auch aus unserer Sicht das schwindende Wissen über Herkunft und Vielfalt der Lebensmittel bei Kindern. Sollte hier nicht auch mehr Aufklärung dienlich sein?
Essen ist kulturelle Identität, existentiell und das Erste und Letzte was wir in unserem Leben machen werden. Je mehr wir uns vom natürlichen Ursprung der Lebensmittel entfernen, desto mehr brauchen wir Aufklärung und grundlegendes Wissen über unsere Nahrung und deren Herstellung.
Sie selbst haben im Jahr 2007 die Sarah Wiener Stiftung gegründet, was war dazu Ihr konkretes Anliegen?
Meine Antriebsfeder ist das schwindende Wissen über Zubereitung, Herkunft und Vielfalt der Lebensmittel bei Kindern. Kern der Stiftungsarbeit sind Weiterbildungen für Menschen, die mit Kindern arbeiten und leben. Die sogenannten Genussbotschafter der Sarah Wiener Stiftung werden mit theoretischem und praktischem Wissen ausgestattet, um möglichst hürdenlos in ihren Einrichtungen Kinderkochkurse durchführen zu können. Meine Stiftung verfolgt dabei einen nachhaltigen Ansatz, der nicht nur die Gesundheit der Kinder fördert, sondern auch die Umwelt, das Klima oder die Biodiversität erhalten soll. Als Ergänzung zu den Kinderkochkursen organisieren wir im Jahr bis zu 100 Ausflüge zu Bio-Bauernhöfen, auf denen die Kinder ebenfalls praktische Erfahrungen über die Herkunft der Lebensmittel sammeln können. Mit diesem Prinzip erreichen wir bundesweit gut 650 Einrichtungen und damit jedes Jahr tausende Kinder – und es sollen natürlich noch viele mehr werden!
Nicht alle unsere Leser wissen, dass Sie weder einen Schul- noch einen Berufsabschluss haben, dennoch sind Sie zu einer einzigartigen Karriere durch gestartet. Was raten Sie jungen Menschen - Schule durchziehen und abschließen oder seiner Profession nachgehen
Ich rate jedem sich so viel Wissen anzueignen, wie es nur geht und seinen eigenen Leidenschaften zu folgen. Habt Vertrauen in euch und in eure Interessen. Geht los und probiert euch aus. Und bloß keine Angst vorm Leben! Das Leben will gelebt werden.
Was ist Ihnen heute mit Ihrer gesamten Lebenserfahrung besonders wichtig und woran sollte, man sich erinnern, wenn man den Namen Sarah Wiener hört?
Bei so vielen Milliarden Menschen wäre es vermessen, sich auch nur zu wünschen, man wäre mehr als nur verwehter Rauch. Wenn Kinder und Jugendliche auf Grund der Tätigkeit der Sarah Wiener Stiftung auch nur einmal mehr in der Woche mit Freude und Lust selber kochen, würde ich mich dies schon unglaublich freuen. Wenn sich Menschen wieder mehr mit dem gesunden Boden unter unseren Füssen verbinden und dafür interessieren würden, wie wir mit der Natur und unserer Umwelt zusammenhängen, würde ich mich noch mehr freuen. Ich selber bin noch im Werden und kann noch gar nicht sagen, wo mich mein Sein hinführen wird. Das ist doch auch schön.