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Smartphones an Schulen: „Es ist einfach nur purer Horror.“

13. März 2018

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In unserem Beitrag vom 09.02.2015 zum Thema Nomophobie haben wir uns bewusst diesem Thema gewidmet.

Auch in Deutschland tendieren Nutzer von Mobiltelefonen zu nomophobem Verhalten. Schon für die Zwölf- bis 13-Jährigen gehört demnach ein Smartphone zur Standardausstattung. Welche Auswirkungen hat das auf das selbstständige Lernverhalten der Schüler? Ersetzt das Smartphone zunehmend unser Gedächtnis oder revolutioniert es den herkömmlichen Unterricht? Hierüber sprachen wir mit Arne Ulbricht, der in Wuppertal als Lehrer für Französisch und Geschichte in Teilzeit arbeitet. Darüber hinaus ist er auch als Autor der beiden Bücher "Schule ohne Lehrer?" bzw. "Lehrer - Traumberuf oder Horrorjob?" tätig.


1. Nomophobie — wie macht  sich das bei Ihren Schülern bemerkbar?

Foto: Daniel Schmitt

Foto: Daniel Schmitt

Nicht alle, aber viel zu viele Schüler ab einem gewissen Alter (oft schon ab zwölf !) sind überhaupt nicht mehr in der Lage dazu, neunzig Minuten lang digital zu fasten. Sie schielen mehrfach während des Unterrichts auf das Handy, und wenn sich dort was tut, beginnen sie zu tippen. Sollte ein Lehrer ein sehr konsequentes Handyverbot aufrechterhalten, wird unmittelbar vor und nach dem Unterricht ein Blick auf das Handy geworfen um nachzuschauen, was sich Neues in welchen Netzwerken auch immer getan hat. Die Angst, etwas zu verpassen, zieht sich von der ersten Stunde an durch den schulischen Alltag.

2. Für viele junge Menschen ist das Smartphone aus dem Alltag nicht wegzudenken. Wie glauben Sie, würde sich ein Entzug des Mobiltelefons bei den Jugendlichen auswirken?

Kurzfristig müsste man mit Entzugserscheinungen rechnen. (Auch mit physischen Entzugserscheinungen wie nervöses Zucken, sobald man dort, wo man sein Handy immer aufbewahrt hatte, etwas zu spüren glaubt.) Mittelfristig müsste man lernen, sich in gewissen Situationen wieder auf sein Gedächtnis oder auf bestimmte Sinne, zum Beispiel auf den Orientierungssinn, zu verlassen. Langfristig wäre es nicht nur für junge Menschen, sondern auch für die meisten Erwachsenen, ein Segen, würden Sie sich für einen freiwilligen Verzicht – zum Beispiel in der Schule oder am Arbeitsplatz oder am Sonntag – entscheiden. Das zwanghafte Bedürfnis, immer und überall erreichbar sein zu müssen, würde nach und nach verschwinden…

3. Delegieren junge Menschen ihren Verstand und ihr Erinnerungsvermögen  an Smartphones  und leidet dadurch nicht das Allgemeinwissen, weil immer mehr mal eben "gegoogelt" wird?

Ja, auch immer mehr „ältere“ Menschen tun genau das. Wer fährt noch ohne Navi? Wer kann noch mehr als fünf private Telefonnummern auswendig? Es ist bedauerlich, dass ein Suchmaschinenmonopolist dafür sorgt, dass wir uns darauf verlassen, Wissen jederzeit abrufen zu können. Das Problem daran ist, dass man Dinge nur einordnen kann, wenn Wissen auch im Kopf abgespeichert ist. Außerdem sollte man sein Denk- und Erinnerungsvermögen nicht abhängig machen von einem Gerät, das geklaut werden oder dessen Akku alle sein kann.

4. Mit den Wearables lassen wir die Technik noch näher an unsere Körper — wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Es ist einfach nur purer Horror. Die Smartwatch überwacht uns demnächst. Viele von uns wahrscheinlich vierundzwanzig Stunden am Tag. Ein Schriftsteller, der im 19. Jahrhundert eine fiktive Smartwatch oder eine Googlebrille erfunden hätte, hätte als Dystopist gegolten. Wie sieht der nächste Schritt aus? Lassen wir uns einen Fitnessmanager implantieren? Oder ein automatisches Navi, das unsere Bewegungen in bestimmte Richtungen lenkt? Sind wir dann noch Menschen, oder haben dann die Maschinen endgültig die Kontrolle über uns gewonnen?

5. Smartphones aus Schulen zu verbannen ist die eine Sache — im Schulgesetz ist aber ausdrücklich formuliert, dass Schülerinnen und Schüler lernen sollen „mit Medien verantwortungsbewusst und sicher umzugehen“. Dazu müssten Smartphones doch eher mehr in Schulen zum Einsatz kommen, oder?

Es sollte vor allem unbedingt ein Pausenhofverbot geben. Erstens um zu verhindern, dass Schüler sich gemeinsam in einer Bildungsanstalt wüsteste Pornos und Hinrichtungen anschauen oder sich vom IS anwerben lassen. Und zweitens um dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche miteinander reden und sich dabei angucken. Im Unterricht selbst können Handys durchaus sinnvoll eingebaut werden. Ich selbst plädiere in meinem letzten Buch Schule ohne Lehrer für die Einführung des Schulfachs Internet 21, in dem man lernt, wie man das Internet und die Geräte, mit denen man im Internet surfen kann, sinnvoll nutzt, ohne sich davon abhängig zu machen.

Veröffentlicht am 13.03.18

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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