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Reine Zeitverschwendung? Über G9 und die entsprechende Debatte

14. Dezember 2017

G8 G9 Visual

Würde man eine Rangliste der unnötigsten Reformen im Bildungssystem der letzten Jahre erstellen, so hätte in meinen Augen die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun Jahren (G9) auf acht Jahre (G8) einen Anspruch auf einen Spitzenplatz. Aber derzeit hat eine weitere Reform das Potenzial, die Führungsposition dieser Tabelle zu übernehmen: die Rückkehr bzw. teilweise Wiedereinführung von G9 in vielen Bundesländern. Was sprach für die landesweite Einführung des achtjährigen Gymnasiums? Ein Argument war der Wunsch auf Angleichung der Schulzeit in allen 16 Bundesländern. Zudem wurde auf vermeintliche Straffungsmöglichkeiten im Curriculum des G9 verwiesen. Auch wurde argumentiert, dass Jugendliche heutzutage früher „erwachsen“ seien und G8 einen verantwortlichen Umgang mit Lebens- und Lernzeit darstelle. Die treibende Kraft hinter der Einführung von G8 war aber letzten Endes die Wirtschaft: Sie forderte eine Stärkung der internationalen Konkurrenzfähigkeit und betrachtete G8 dabei als unverzichtbaren Bestandteil. Mit einigem Abstand wiegt aus heutiger Sicht die Summe dieser Argumente nicht so schwer, als dass sie die flächendeckende Einführung von G8 notwendig gemacht hätte. Erschwerend kommt hinzu, dass G8 in vielen Bundesländern nicht Hand in Hand ging mit einer notwendigen Reform des Curriculums und die G8 teilweise überstürzt umgesetzt wurde. Aber die Rückkehr zu G9 birgt die Gefahr, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Erstens funktioniert G8 dank des großen Engagements von Lehrkräften, Schulen und Bildungsverwaltungen inzwischen weitgehend reibungslos. Man kann, so zeigt sich, sowohl G8 als auch G9 gut oder schlecht gestalten; Unterschiede zwischen einzelnen Lehrkräften und Schulen geben davon beredtes Zeugnis. Zweitens liegen endlich erste wissenschaftliche Studien vor, die darauf hinweisen, dass G8 vielleicht besser ist als sein Ruf. In unserer eigenen Auswertung von Daten des Nationalen Bildungspanels zu den Kompetenzen von Abiturienten in Baden-Württemberg konnten wir in Mathematik und Physik keinerlei Leistungseinbußen durch G8 identifizieren. Für die Biologie zeigten sich unwesentliche Unterschiede, wohingegen in Englisch substanzielle Leistungsvorteile für G9-Schüler bestanden, was aber wohl auch an anderen Faktoren (u.a. eine vorübergehende Reduktion der Gesamtstundenanzahl in Englisch) gelegen haben dürfte. Hinsichtlich der Mehrzahl der abgefragten Freizeitaktivitäten widerlegten die Daten die Befürchtungen, wonach G8-Absolventen weniger Zeit beispielsweise für Orchester und andere Hobbies, für die Familie oder das Lesen berichten würden. 

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Prof. Dr. Ulrich Trautwein. Foto: Cira Moro

Prof. Dr. Ulrich Trautwein. Foto: Cira Moro

Die Studie „Die G8-Reform in Baden-Württemberg: Kompetenzen, Wohlbefinden und Freizeitverhalten vor und nach der Reform“ wurde in der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft veröffentlicht.

Informationen zum Autor: Ulrich Trautwein ist Professor am Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung und Leiter des LEAD Graduate School & Research Networks. Außerdem ist er Vorsitzender eines Wissenschaftlichen Beirats der Kultusministerkonferenz sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Veröffentlicht am 14.12.17

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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