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Schule: Besser privat?

16. Januar 2017

Interview-Christopher Haep

Bundesweit melden immer mehr Eltern ihre Kinder an Privatschulen an. Eine Entwicklung über die nicht alle Beteiligten glücklich sind. Hierüber sprachen wir mit  Dr. Christopher Haep  Internatsleiter des Aloisiuskollegs in Bonn sowie Vorstand des Verbands Katholischer Internate und Tagesinternate.

Die Beliebtheit von Privatschulen ist weiterhin ungebrochen. Was zeichnet Privatschulen im Vergleich zu öffentlichen Schulen aus und was sind Ihrer Meinung nach ihre Alleinstellungsmerkmale?

Privatschulen prägen häufig stärker als öffentliche Schulen ein Bewusstsein dafür aus, dass sie eine Position auf dem Bildungsmarkt einnehmen, die es zu gestalten, zu beleben, zu präsentieren und gegen Konkurrenz zu verteidigen gilt. Häufig investieren sie deshalb mehr in ihre Qualitätsentwicklung, in ihre pädagogischen Programme und Konzepte, häufig ist ihre Angebotsvielfalt im unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Bereich größer. Viele Privatschulen achten sehr auf die Gestaltung ihrer Räume und den Umgang untereinander, auf ihre Schulkultur und ihr Schulleben (manchmal im Sinne einer Wertorientierung, deren prägende Merkmale sich ja zum Teil selbstverständlich aus der Trägerschaft und ihrer Tradition heraus ergibt, z.B. bei kirchlichen Schulen). Und es fällt auf, dass Privatschulen häufig ein hohes Interesse daran zeigen, Fragen der sozialen Gemeinschaft bzw. des Verantwortungslernens und andererseits der Sorge um die Entwicklung des Einzelnen gleichermaßen stark zu betonen. Der einzelne Heranwachsende tritt dann ganz in den Blick, er als Einzelner mit seiner Persönlichkeit, aber auch als Teil der Gemeinschaft.

Nun sind nicht alle Beteiligten glücklich über die Beliebtheit der Privatschulen. So mancher Lokalpolitiker befürchtet, dass die soziale Mischung an öffentlichen Schulen leiden würde, wenn immer zahlungskräftige und zumeist höher gebildete Eltern ihren Nachwuchs auf Privatschulen schicken. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Die Motivationen, aus denen heraus Eltern entscheiden, ihre Kinder auf Privatschulen zu geben, sind sehr unterschiedlich. Ich bin allerdings sehr stark der Auffassung, dass vor allem die Schulen (ob privat oder öffentlich) ein sehr klares Bewusstsein über den Zusammenhang zwischen ihrer Schulkultur und dem Bezugshabitus ihrer Schülerklientel entwickeln müssen. Welche bewussten oder unbewussten Mechanismen wirken zwischen den Schulwahlmotiven von Familien und der Art, wie eine Schule "Schule macht". Jede Schule tut gut daran, darauf zu achten, dass ihre Schülerschaft weder zu heterogen noch zu homogen ist. Sowohl der Pädagogik, wie auch dem Schulklima und der Funktion, die eine Schule an ihrem Standort erfüllt, tut eine gute soziale Durchmischung gut. Zusammenhänge zwischen Schulkultur und Bezugshabitus bestehen zwar immer. Sie dürfen aber nicht starr werden. Sonst ist der Selektions- und Anpassungsdruck, der auf Schülern in ihrer individuellen Entwicklung lastet, zu groß.

Das prominente Beispiel der voraussichtlichen Schließung der Odenwaldschule aufgrund sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen in der Vergangenheit zeigt aber auch, dass zu späte Aufklärung in dieser Sache die falsche Strategie ist. Wie geht beispielsweise der Verband katholischer Internate mit diesem Thema um?

Grundsätzlich ist es für uns wichtig, unsere Internate darin zu unterstützen, dass sie Schutz- und Kompetenzorte sind, an denen Heranwachsende bestmöglich vor Gewalt geschützt werden. Wir versuchen deshalb, unsere Mitgliedseinrichtungen durch gezielte Angebote und Maßnahmen bei der Entwicklung und Implementierung passgenauer Schutzkonzepte zu unterstützen;  wir versuchen, die Internate im Bereich der Primär- und Sekundärprävention zu stärken. Allerdings ist der Verband Katholischer Internate und Tagesinternate ja kein Träger- oder Dachverband, sondern ein Fachverband und eine Interessenvertretung. Wir haben deshalb praktisch keine Möglichkeiten des unmittelbaren (juristischen) Eingriffs in den Institutionen, auch keine Möglichkeiten der Kontrolle. Sollte uns aber bekannt werden, dass es an einer Einrichtung, die bei uns Mitglied ist, zu Missbrauchsfällen gekommen ist und dass die Aufklärung dort nicht in Gang kommt, werden wir auf zügige Aufklärung und Aufarbeitung drängen und evtl. Unterstützung dafür anbieten, wie ein Aufklärungs- und Aufarbeitungsprozess organisiert werden kann. Sollte eine betroffene Mitgliedseinrichtung sich der Aufklärung und Aufarbeitung verweigern, so würde ihre Mitgliedschaft im Verband in Frage gestellt, denn ein solches Verhalten würde sich nicht mit unseren Werten und Verbandszielen decken.

Haben gerade katholische Internate vor dem Hintergrund erheblicher Kirchenaustritte (Vorkommnisse im Bistum Limburg, sexuelle Gewalt an Schülern) nicht auch ein massives Glaubwürdigkeitsproblem und muss "Kirche" hier nicht neu denken bzw. neue Wege gehen?

In der Tat verzeichnen etliche Internate sinkende Schülerzahlen. Das ist aber kein kirchliches Phänomen, sondern betrifft Internate jeder Couleur in Deutschland. Zusammenhänge zwischen der Missbrauchskrise und den sinkenden Schülerzahlen haben sich bislang aber nicht nachweisen lassen. Vielmehr ist der erhöhte Konkurrenzdruck und der massive Ausbau an Ganztagsbetreuungsangeboten dafür verantwortlich. Hier müssen sich Internate neuen Herausforderungen stellen. Das bedeutet aber nicht, dass die Kirche und damit natürlich auch die katholischen Internate nicht ihre Lehren aus der Missbrauchskrise ziehen müssten, ganz im Gegenteil. Die Internate müssen zu Kompetenz- und Schutzorten für Heranwachsende werden. Schutzkonzepte müssen in allen Einrichtungen Standard werden. Und jedes Internat muss selbstkritisch daran arbeiten, dass sich eine pädagogische Kultur der Achtsamkeit und Wertschätzung, der Anerkennung und des Respekts zum Wohl der Kinder und Jugendlichen fortentwickelt.

Ist es nicht auch eine übertriebene Entwicklung der sogenannten "Hubschraubereltern", die ohne Rücksicht auf die Wünsche und Neigungen ihrer Kinder diese an Eliteschulen anmelden, um ihnen schon so früh wie möglich den von Ihnen gewünschten Weg zu ebnen?

Was ist bitte eine Eliteschule? Aber es stimmt schon: Der Druck, möglichst früh die richtige Bildungslaufbahn an den richtigen Bildungseinrichtungen eingeschlagen und am Ende die richtigen Zertifikate in der Hand zu haben, ist gesellschaftlich schon sehr gestiegen. Der Soziologe Heinz Bude spricht in einem 2011 veröffentlichten Büchlein von "Bildungspanik". Ich rate hier zu mehr Gelassenheit. Entscheidend ist, dass Heranwachsenden genügend Handlungs- und Gestaltungsräume für ihre Persönlichkeitsentwicklung eröffnet werden. Dazu gehört natürlich auch eine sehr gute schulische Ausbildung. Aber eben noch sehr viel mehr, z.B. die außerunterrichtliche Entfaltung der eigenen Begabungen, das emotionale und soziale Lernen. Vor allem die Freiräume, die Gestaltungsräume für die (mitunter wunderbar überraschende) Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes sollten Eltern meiner Meinung nach also im Blick haben.

Veröffentlicht am 16.01.17

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Wie sagte schon Bacon: „Wissen ist Macht!“
*Francis Bacon, 1561 - 1625, Philosoph & Jurist
 

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